Neues Puzzleteil zum Verständnis von Hochtemperatursupraleitern

Kristallstrukturen von HgBa<sub>2</sub>CuO<sub>4</sub>+ and YBa<sub>2</sub>Cu<sub>3</sub>O<sub>6</sub>.

Kristallstrukturen von HgBa2CuO4+ and YBa2Cu3O6.

Das Phasendiagramm zeigt, wie vielf&auml;ltig und komplex die Phasen au&szlig;erhalb des supraleitenden Zustands (SC) in den beiden unterschiedlichen Cupraten sind.

Das Phasendiagramm zeigt, wie vielfältig und komplex die Phasen außerhalb des supraleitenden Zustands (SC) in den beiden unterschiedlichen Cupraten sind.

Ein internationales Forscherteam hat Ladungsdichtemuster in einem besonders reinen Hoch-Tc-Supraleiter identifiziert und damit gezeigt, dass dieses Phänomen eine allgemeine Eigenschaft in Hoch-Tc-Materialien ist. Zusätzlich konnten sie eine Beziehung zwischen Quantenoszillationen unter Magnetfeldern mit der räumlichen Verteilung der Ladungsmuster herstellen. 

Das Phänomen der Supraleitung ist recht gut verstanden –  bei den klassischen Supraleitern, die sich in nicht-supraleitendem Zustand wie Metalle verhalten. Die Supraleitung entsteht durch die Paarung von Elektronen zu so genannten Cooper-Paaren, die mit dem Kristall-Gitter nicht mehr zusammenstoßen und sich daher widerstandsfrei bewegen. Auch hinter der Supraleitung in den Cupraten steht eine Kopplung zwischen Ladungsträgern. Allerdings sind bei den keramischen Supraleitern selbst die nicht-supraleitenden Zustände kaum verstanden, geschweige denn die Mechanismen bei der Paarung der Ladungsträger. Deshalb sind auch fast 30 Jahre nach Entdeckung der Hochtemperatursupraleitung neue Einsichten in die Eigenschaften der Cuprate aufregend.

Der Cuprate-Zoo besitzt Ebenen aus Cu- und O-Atomen

Forscher haben einen ganzen Zoo von Cupraten gefunden, mit Abkürzungen wie LBCO, YBCO, LSCO, BSCO und chemischen Zusammensetzungen wie La2-xBaxCuO4, YBa2Cu3O6+, La2-xSrxCuO4, Bi2Sr2-xLaxCuO6+.  In all diesen Materialien sitzen Kupfer- und Sauerstoff-Atome in Ebenen und bilden quasi-zweidimensionale Strukturen. Führt man Ladungsträger in die Cu-O-Ebenen ein, entsteht nicht einfach ein metallisches Verhalten, sondern es bilden sich komplexe und ungewöhnliche Phasen. Wie sich der supraleitende Zustand aus diesen exotischen Phasen heraus entwickelt, ist bis heute nicht erklärt. 

Ladungen verteilen sich in Streifen

Eines der Phänomene, die in Hoch-Tc-Cupraten beobachtet werden, ist die so genannte Ladungsordnung. Dabei bilden die Ladungsträger, die in das keramische Material eingeführt wurden, um Leitfähigkeit überhaupt erst zu ermöglichen, regelmäßige Streifenmuster innerhalb der Cu-O-Ebenen. Dies macht die Ladungsträger weniger beweglich und behindert die Bildung des supraleitenden Zustands. Ladungsordnung steht also im Widerspruch zur Supraleitung. Obwohl sie an einem Cuprat bereits 1995 beobachtet wurde, dauerte es lange, Ladungsordnung auch in anderen Cupraten nachzuweisen und erst 2012  wurde das Phänomen in dem meistuntersuchten Material YBCO gefunden.

Neue Ergebnisse zeigen: Es gibt Muster

Unter Federführung der University of Minnesota hat nun ein internationales Forschungsteam auch in HgBa2CuO4 Ladungsordnung nachgewiesen und damit dieses offenbar universelle Verhalten bestätigt. HgBa2CuO4 ist ein Cuprat mit einer verhältnismäßig einfachen Kristallstruktur und wird bei minus 175 Grad Celsius supraleitend.

Darüber hinaus fanden die Forscher, dass die Ladungsordnung eng mit einer weiteren Eigenschaft des Materials zusammenhängt: Ein äußeres hohes Magnetfeld zerstört die Supraleitung, dabei kann der elektrische Widerstand mit dem sich ändernden Magnetfeld periodisch steigen und sinken, es kommt zu Quantenoszillationen. Die Wissenschaftler konnten nun erstmals eine Beziehung zwischen der Periode dieser Quantenoszillationen mit der räumlichen Periode der Ladungsordnung herstellen und damit zwei scheinbar unterschiedliche Phänomene miteinander in Beziehung setzen. Dies kann nun wiederum in die theoretische Beschreibung der komplexen Phänomene dieser Materialklasse einfließen und aufklären, wie unterschiedliche Effekte zusammenhängen und welche Effekte dabei dominieren.

Das Werkzeug: Die UE46_PGM1-Beamline an BESSY II

Ein wichtiger Teil der Forschung wurde am XUV-Diffraktometer an BESSY II am HZB durchgeführt, wo die besonders empfindliche Methode der resonanten weichen Röntgenstreuung zur Verfügung steht.
Mit dieser Methode konnte bereits in einer Reihe von Materialien schwache Ladungsordnung nachgewiesen werden, in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des HZB, die die Instrumente an der UE46_PGM1 Beamline von BESSY II betreuen. Die Ergebnisse sind nun in Nature Communications publiziert. “Nach Jahrzehnten der Forschung rätseln wir immer noch über die ungewöhnlichen Zustände in Cupraten und wie sie sich zum Phänomen der Hochtemperatursupraleitung verhalten”, sagt Dr. Eugen Weschke von der Abteilung Quantenphänomene in neuen Materialien am HZB. „Die Beobachtung von Ladungsordnung in diesem besonders reinen Modellsystem fügt dem Gesamtbild ein wichtiges Puzzleteil hinzu und wir freuen uns, dass wir durch unsere Experimente am HZB dazu einen Beitrag leisten konnten.“

Referenz: W. Tabis et al., Charge order and its connection with Fermi-liquid charge transport in a pristine high-Tc cuprate, Nature Communications 5, 5875 (2014).
DOI:  10.1038/ncomms6875

Eugen Weschke/arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Nanoinseln auf Silizium mit schaltbaren topologischen Texturen
    Science Highlight
    20.01.2025
    Nanoinseln auf Silizium mit schaltbaren topologischen Texturen
    Nanostrukturen mit spezifischen elektromagnetischen Texturen versprechen Anwendungsmöglichkeiten für die Nanoelektronik und zukünftige Informationstechnologien. Es ist jedoch sehr schwierig, solche Texturen zu kontrollieren. Nun hat ein Team am HZB eine bestimmte Klasse von Nanoinseln auf Silizium mit chiralen, wirbelnden polaren Texturen untersucht, die durch ein externes elektrisches Feld stabilisiert und sogar reversibel umgeschaltet werden können.
  • Lithium-Schwefel-Batterien im Taschenformat an BESSY II durchleuchtet
    Science Highlight
    08.01.2025
    Lithium-Schwefel-Batterien im Taschenformat an BESSY II durchleuchtet
    Neue Einblicke in Lithium-Schwefel-Pouchzellen hat ein Team aus HZB und dem Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden an der BAMline von BESSY II gewonnen. Ergänzt durch Analysen im Imaging Labor des HZB sowie weiteren Messungen ergibt sich ein neues und aufschlussreiches Bild von Prozessen, die Leistung und Lebensdauer dieses industrierelevanten Batterietyps begrenzen. Die Studie ist im renommierten Fachjournal "Advanced Energy Materials" publiziert.

  • Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
    Science Highlight
    21.12.2024
    Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
    An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser eignet sich ein Molekül als molekularer Nanomagnet. Solche Nanomagnete besitzen eine Vielzahl von potenziellen Anwendungen, z. B. als energieeffiziente Datenspeicher. An der Studie waren Forschende aus dem Max-Planck-Institut für Kohlenforschung (MPI KOFO), dem Joint Lab EPR4Energy des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion (MPI CEC) und dem Helmholtz-Zentrums Berlin beteiligt.