HZB-Preis für Technologietransfer 2019: Ein Chip mit vielen Anwendungsmöglichkeiten

Glückliche Gewinner des Technologietransfer-Preises 2019 Prof. Jens Anders und Prof. Klaus Lips

Glückliche Gewinner des Technologietransfer-Preises 2019 Prof. Jens Anders und Prof. Klaus Lips © HZB/Nadine Zilliges

© HZB/Nadine Zilliges

Für ihr Projekt "EPR on a chip - Eine Revolution in der spinbasierten Analytik" gewinnen Klaus Lips (HZB) und Jens Anders (Uni Stuttgart) den Technologietransferpreis 2019 des HZB.

Die Innovation überzeugte die Jury. Der Industriebeirat urteilte: „Uns hat die Qualität sehr beeindruckt. Das ist das, was die Industrie braucht.“ Der nur wenige Quadratmillimeter große Mikrochip setzte sich gegen insgesamt 11 eingereichte Projekte durch.

Mit dem Technologietransferpreis wird das beste Innovationsprojekt aus dem HZB ausgezeichnet. Er ist mit 5000 Euro dotiert.

 „Es ist toll, dass Industrievertreter das gleiche Potenzial sehen, das wir Wissenschaftler sehen“, sagt Jens Anders. „Für uns ist der Technologietransferpreis des HZB eine große Bestätigung und ein Ansporn, weiter zu machen.“

 „EPR-ON-A-CHIP  hat viele Anwendungsoptionen: etwa Energieforschung und medizinische Diagnostik“, erläutert Klaus Lips. „Das Prinzip ist dasselbe wie beim Rückwärtsfahren im Auto, wenn es piept. Das ist der Chip, der in der Stoßstange sitzt und Radarsignale aussendet. Genau solche Radarsignale könnten wir nutzen, um etwa auch Krebs abzufragen.“

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt EPR-ON-A-CHIP bereits mit 6,7 Millionen Euro für Energieanwendungen.

Was ist EPR-ON-A-CHIP? Die Elektronenspinresonanz oder elektronenparamagnetische Resonanz (EPR) liefert über die Anregung von Elektronenspins im Material detaillierte Information über dessen innere Struktur, bis hinunter auf die atomare Ebene. EPR-Spektroskopie ist ein wichtiges Instrument in der Biophysik, Chemie und medizinischen Diagnostik, wird mittlerweile aber auch in der Forschung an Energiematerialien wie Katalysatoren, Batterieelektroden und Solarzellenkomponenten eingesetzt. (Mehr Infos zu EPR-ON-A-CHIP)

Im Endausscheid setzte sich EPR-ON-A-CHIP gegen vier ebenfalls preisverdächtige Konkurrenten durch:

  • ALL-IN-ONE - Ein Probenhalter als Plattform für Makromolekulare Kristallographie - Dr. Christian Feiler
  • ZELLULARES METALL FÜR DEN LEICHTBAU Ausgründung der Firma Pohltec Metalfoam - Dr. Francisco Garcia-Moreno
  • A-SI SOLARZELLENTECHNOLOGIE - Entwicklung & Transfer für transparente PV Bauelemente - Prof. Dr. Bernd Stannowski
  • HIGHLY EFFICIENT AND LOW COST PEROVSKITE TANDEM SOLAR CELLS - Universal and Robust Hole-Contacts by Self-Assembled Monolayer (SAMs) - Amran Al-Ashouri

INTERVIEW mit Prof. Klaus Lips & Prof. Jens Anders

„Der Technologietransferpreis ist ein Ansporn, weiter zu machen“

Ein Mikrochip mit dem Potenzial, Krebs zu entdecken, Produktionsprozesse zu steuern und die Energieforschung zu verbessern hat den diesjährigen Technologietransferpreis des Helmholtz-Zentrums Berlin gewonnen. Die Erfinder von EPR-ON-A-CHIP Physik-Professor Klaus Lips vom HZB-Institut für Nanospektroskopie und Ingenieurwissenschaftler Prof. Jens Anders von der Universität Stuttgart können sich über ein Preisgeld von 5000 Euro freuen. Am wichtigsten ist den Beiden aber das Signal, das von diesem Preis ausgeht.

Sind Sie überrascht, dass Sie den Preis bekommen haben?
Lips: Auf jeden Fall. Da waren wirklich tolle Projekte im Endausscheid, deshalb freuen wir uns sehr. Wir haben zwar noch keine Firma an der Hand, die die Idee in die Praxis umsetzt. Aber ich sehe in unserem Projekt eine wahnsinnige Zukunft.

Sie bekommen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 6,7 Millionen Euro  für die Energieforschung.
Anders: Ja, es gibt einfach ein riesiges Potenzial. Es ist toll, dass Industrievertreter das gleiche Potenzial sehen, das wir Wissenschaftler sehen. Für uns ist der Technologietransferpreis eine große Bestätigung und ein Ansporn, weiter zu machen.

Ihre Erfindung: Was ist das genau?
Lips: Wir können mit einem kleinstmöglichen Gerät – wir sprechen von Quadratmillimetern – Zustände nachweisen, die für die Gesundheit, für eine Solarzelle und für Speicherung entscheidend sind. Wir können Prozesse steuern, etwa Produktionsprozesse. Und es ließe sich mit dem Sensor auch nachweisen, ob zum Beispiel Lebensmittel noch gut sind.

Woraus besteht der Sensor?
Anders: Der Sensor ist ein Mikrochip. Das ist von der Technik dieselbe, die mit der CPU in einem Computer steckt. Auf den Chip packen wir einen Metallring, und der misst als Spannung das Signal von den Radikalzuständen. Das Tolle an der Erfindung ist, dass das Gerät, das sonst ein paar Kubikmeter groß ist und eine Tonne wiegt, jetzt in einem Mikrochip drin steckt. Jetzt kann das Gerät zur Probe kommen – wie etwa in einer Arztpraxis.

Wie sähe eine solche Anwendung beim Arzt aus?
Lips: Stellen wir uns mal vor, wir hätten in der Haut einen Defekt, Krebs zum Beispiel. Wenn ich einen Leberfleck oder ein Muttermal habe, muss ich ja feststellen: Ist der bösartig oder nicht? Man kann einiges vom Betrachten an der Farbe und an der Form erkennen. Aber wenn ich es wirklich wissen will, muss ich ihn bisher ausschneiden und dann in einem Labor untersuchen lassen. Und die Idee ist nun, dass die EPR On A Chip feststellen kann, ob ein Muttermal gut- oder bösartig ist.

Wie funktioniert das?
Lips: Das Prinzip ist dasselbe wie beim Rückwärtsfahren im Auto und es piept. Das ist der Chip, der in der Stoßstange sitzt und Radarsignale aussendet. Genau diese Radarsignale könnten wir nutzen, um auch den Krebs abzufragen. Ähnlich würde das bei einem Sonnenbrand funktionieren.

Wie kam es denn zu Ihrer Erfindung?
Anders: Wir haben das gemeinsam erfunden. Klaus Lips ist Physiker und kennt die EPR-Zustände und weiß, wie man sie im Labor detektiert. Ich bin Ingenieur und kenne mich mit den Anwendungen aus. So sind wir zusammen gekommen.

Lips: Unsere physikalische Frage war: Wie können wir das alles miniaturisieren? Wir wollten die Frequenzen auf den Chip bringen und so hohe Frequenzen können wir nur mit Galliumarsenid machen. Das dachten wir zumindest. Es scheiterte dann an der fehlenden Manpower. Ein Jahr später hörte ich Jens Anders bei einem Vortrag. Er erzählte, dass man in der Lage ist, so eine Miniaturisierung auf Silizium vorzunehmen. Da bin ich vom Stuhl gefallen. Ich bin sofort zu ihm gegangen und habe gesagt: Wir müssen zusammen arbeiten.

Und anschließend?
Lips: Innerhalb von zwei Jahren waren wir dann soweit, dass wir einen Projektantrag geschrieben haben. Den haben wir jetzt durchbekommen und kriegen nun 6,7 Millionen vom Bundesforschungsministerium: Das ist unglaublich. In diesem Projekt geht es um Energieanwendungen.

Wie geht es jetzt weiter?
Anders: Wir haben eine Firma, die das Marktpotenzial analysiert. Über die Methodenentwicklung wollen wir mehrere Märkte bedienen: neun an der Zahl. Denn wir sind überzeugt: Die Technologie kann vieles. Medizin etwa liegt jedem am Herzen, weil es jeden betrifft. Aber auch die Überwachung von Alterungsprozessen bei Batterien ist denkbar. Wir starten jetzt mit der Energieforschung. Hier werden wir den Sensor in Richtung Produktreife bringen – und dann hoffentlich weitere Anwendungsbereiche bedienen.

Die Fragen stellte Anja Mia Neumann.

ane


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