Sehen, riechen, schmecken: Wie Biomoleküle in Sinneszellen funktionieren

</p> <p>Rhodopsin vor der Aktivierung durch Licht (links) und danach (rechts): Die Anregung f&uuml;hrt im Innern des Molek&uuml;ls zu &Auml;nderungen an funktionalen Gruppen (Lupe), die sich auf das gesamte Molek&uuml;l auswirken.

Rhodopsin vor der Aktivierung durch Licht (links) und danach (rechts): Die Anregung führt im Innern des Moleküls zu Änderungen an funktionalen Gruppen (Lupe), die sich auf das gesamte Molekül auswirken. © E. Ritter/HZB

Ein Team hat analysiert, wie sich das Biomolekül Rhodopsin nach der Aktivierung durch Licht verändert. Rhodopsin spielt beim Sehen eine zentrale Rolle, ist aber auch ein Prototyp für Rezeptoren in anderen Sinnesorganen. Ein neu entwickeltes Infrarotspektrometer an BESSY II hat es ermöglicht, diese Untersuchung erstmals unter natürlichen Bedingungen durchzuführen. Mit der neuen Methode lassen sich schnelle, irreversible Reaktionen mit nur einer einzigen Messung beobachten. Bislang mussten dafür tausende solcher Reaktionen ausgewertet werden. Viele biologische Prozesse sind jedoch irreversibel und lassen sich nicht zyklisch wiederholen.

Zeitaufgelöste Infrarotspektroskopie im Submillisekunden-Bereich ist eine wichtige Methode, um die Beziehung zwischen Funktion und Struktur in Biomolekülen zu untersuchen. Dies funktioniert jedoch nur dann, wenn die Reaktion viele Tausende Mal wiederholt werden kann. Das ist aber bei einer Vielzahl von biologischen Prozessen nicht der Fall: Sie basieren vielmehr auf sehr schnellen und irreversiblen Reaktionen, beispielsweise in den Sinneszellen der Netzhaut beim Sehen.

Féry-Infrarotspektrometer: Eine einzige Messung reicht

Nun hat ein Team um Dr. Ulrich Schade (HZB) und Dr. Eglof Ritter (Humboldt-Universität zu Berlin) an der IRIS-Beamline von BESSY II ein neues Instrument entwickelt, das mit einer einzigen Messung auch solche irreversiblen Reaktionen erfassen kann. Die Zeitauflösung beträgt dabei wenige Mikrosekunden. Das Instrument, ein Féry-Spektrometer, nutzt einen hochempfindlichen Detektor (sog. Focal-Plane-Array-Detektor) und spezielle Optiken, um die brillante Infrarotstrahlung der Synchrotronquelle BESSY II optimal auszunutzen. Das Team konnte damit erstmals die Aktivierung von Rhodopsin unter nahezu physiologischen Bedingungen beobachten.

Nagelprobe für das System: Rhodopsin

„Wir haben Rhodopsin verwendet, da es nach Lichtanregung irreversibel zerfällt und somit eine echte Nagelprobe für das System ist“, erklärt Ritter, Erstautor der Studie. Das Protein Rhodopsin ist das Sehpigment in den Stäbchen der Netzhaut des Auges. Schon einzelne Photonen können Rhodopsin aktivieren - damit ermöglicht es die Wahrnehmung von geringsten Lichtintensitäten. Darüber hinaus ist Rhodopsin der Prototyp einer großen Klasse von Rezeptoren, die unter anderem für Riechen, Schmecken, Druckempfinden, Hormonrezeption usw. verantwortlich sind, und die alle auf eine sehr ähnliche Art und Weise funktionieren.

Das Team untersuchte außerdem ein weiteres spannendes Protein erstmals im Infrarotbereich: Actinorhodopsin. Dieses Molekül ist in der Lage, Lichtenergie in einen elektrischen Strom umzuwandeln – eine Eigenschaft, die sich manche Bakterien zur Gewinnung elektrochemischer Energie für ihren Stoffwechsel zu Nutzen machen.

„Mit der neuen Methode lassen sich die molekularen Reaktionsmechanismen aller irreversiblen Prozesse (oder langsam zyklischen Prozesse) untersuchen, zum Beispiel im Bereich der Energiekonversion und –Speicherung“, betont Schade, der das IRIS-Team leitet.

Die Arbeit erschien im Journal of Physical Chemistry Letters (2019): Féry Infrared Spectrometer for Single-Shot Analysis of Protein Dynamics. Eglof Ritter, Ljiljana Puskar, So Young Kim, Jung Hee Park, Klaus Peter Hofmann, Franz Bartl, Peter Hegemann, Ulrich Schade

DOI: 10.1021/acs.jpclett.9b03099

arö


Das könnte Sie auch interessieren

  • Einfachere Herstellung von anorganischen Perowskit-Solarzellen bringt Vorteile
    Science Highlight
    17.04.2024
    Einfachere Herstellung von anorganischen Perowskit-Solarzellen bringt Vorteile
    Anorganische Perowskit-Solarzellen aus CsPbI3 sind langzeitstabil und erreichen gute Wirkungsgrade. Ein Team um Prof. Antonio Abate hat nun an BESSY II Oberflächen und Grenzflächen von CsPbI3 -Schichten analysiert, die unter unterschiedlichen Bedingungen produziert wurden. Die Ergebnisse belegen, dass das Ausglühen in Umgebungsluft die optoelektronischen Eigenschaften des Halbleiterfilms nicht negativ beeinflusst, sondern sogar zu weniger Defekten führt. Dies könnte die Massenanfertigung von anorganischen Perowskit-Solarzellen weiter vereinfachen.
  • Spintronik: Ein neuer Weg zu wirbelnden Spin-Texturen bei Raumtemperatur
    Science Highlight
    16.04.2024
    Spintronik: Ein neuer Weg zu wirbelnden Spin-Texturen bei Raumtemperatur
    Ein Team am HZB hat an BESSY II eine neue, einfache Methode untersucht, mit der sich stabile radiale magnetische Wirbel in magnetischen Dünnschichten erzeugen lassen.
  • BESSY II: Wie das gepulste Laden die Lebensdauer von Batterien verlängert
    Science Highlight
    08.04.2024
    BESSY II: Wie das gepulste Laden die Lebensdauer von Batterien verlängert
    Ein verbessertes Ladeprotokoll könnte die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Batterien deutlich verlängern. Das Laden mit hochfrequentem gepulstem Strom verringert Alterungseffekte. Dies zeigte ein internationales Team unter der Leitung von Philipp Adelhelm (HZB und Humboldt-Universität) in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin und der Aalborg University in Dänemark. Besonders aufschlussreich waren Experimente an der Röntgenquelle BESSY II.