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Otto Hahn

Zeichnung: Otto Hahn - vergrößerte Ansicht

Zeichnung, Otto Hahn

Radiochemiker, geb. 8.3.1879 Frankfurt/Main, gest. 28.7.1968 Göttingen.

HAHN war ein Pionier der Radiochemie. Er entdeckte, teilweise in Zusammenarbeit mit L. MEITNER, mehrere natürliche radioaktive Elemente und 1938 gemeinsam mit F. STRASSMANN die Kernspaltung.

HAHN war der jüngste Sohn eines aus einer Bauernfamilie stammenden Glasers, der im Laufe der Jahre in den »gehobenen Handwerkerstand« aufgestiegen war. Nach dem Besuch der Klinger-Oberrealschule in Frankfurt/M. nahm HAHN 1897 in Marburg ein Chemiestudium auf. Die Hauptvorlesung belegte er bei dem Organiker TH. ZINCKE; ein Studienjahr verbrachte er in München bei A. v. BAEYER. 1901 promovierte HAHN in Marburg mit dem Thema »Über Bromderivate des Isoeugenols«. Nach seinem Militärjahr wurde er 1902 Vorlesungsassistent bei ZINCKE. Ziel Hahns war eine Tätigkeit als Industriechemiker. Um seine Sprachkenntnisse zu erweitern, ging Hahn 1904 nach London zu W. RAMSAY, dem Entdecker der Edelgase; hier wurde er mit dem noch jungen Arbeitsgebiet der Radioaktivität vertraut.

In RAMSAYS Labor konnte HAHN 1905 eine neue radioaktive Substanz nachweisen, das Radiothorium RAMSAY empfahl ihn daraufhin nach Berlin zu E. FISCHER. Zuvor wollte HAHN aber seine Kenntnisse in Montreal bei E. RUTHERFORD, der führenden Persönlichkeit in der radioaktiven Forschung, vertiefen. In dem dreiviertel Jahr an der McGill-Univ. entdeckte HAHN die Radioelemente Thorium C' und Radioactinium.

Im Oktober 1906 nahm HAHN seine Arbeit bei FISCHER an der Berliner Univ. auf. Da man sich bisher im Chemischen Institut nicht mit Radioaktivität beschäftigt hatte, wurde HAHN als Außenseiter betrachtet, und FISCHER wies ihm die ehemalige Holzwerkstatt im Erdgeschoss als Laboratorium zu. Im Juni 1907 habilitierte er sich; im gleichen Jahr entdeckte er Mesothorium I und Mesothorium II. Aufgrund seiner Arbeiten fand HAHN eher Anschluss an die Physiker als an die Chemiker. Bei M. PLANCK lernte er MEITNER kennen, die ab Ende September 1907 seine Mitarbeiterin in der Holzwerkstatt wurde; damit begann eine 30jährige enge Zusammenarbeit.
1910 wurde HAHN an der Univ. ao. Prof. für Chemie. 1912 übernahm er die Abteilung für radioaktive Forschung am neugegründeten Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Chemie in Berlin-Dahlem. Am ersten Weltkrieg nahm HAHN in der von F. HABER geleiteten Spezialtruppe für Gaskampf teil. 1924 wurde HAHN zum ordentlichen Mitgl. der Preuß. Ak. d. Wiss. zu Berlin gewählt und 1928 zum Dir. des KWI für Chemie ernannt.

Erster Erfolg der gemeinsamen Arbeit von HAHN und MEITNER war 1909 die Entdeckung des radioaktiven Rückstoßes bei der Alpha-Umwandlung. Unter Anwendung dieser Rückstoßmethode entdeckten sie das Thorium C", einen ß-Strahler, und 1917/18 das Protactinium (Element 91).

Seit 1918 leitete MEITNER eine selbständige radiophysikalische Abteilung am KWI für Chemie, während HAHN der radiochemischen Abteilung vorstand. Sein Hauptarbeitsgebiet der nächsten Jahre waren die Nuklide am Anfang der Uraniumreihe (Uranium-Radium-Zerfallsreihe). Wichtigstes Ergebnis war 1921 der Nachweis, dass angeregte Kernzustände extrem lange Lebensdauern bis zu mehreren Jahren haben und anders als die Kerne des gleichen Isotops im Grundzustand zerfallen können (Kernisomerie). Anfang der 20er Jahre waren nahezu alle natürlichen Radioelemente bekannt. Deshalb widmete sich HAHN in den folgenden Jahren vor allem der angewandten Radiochemie. Insbesondere entwickelte er seine »Emaniermethode« weiter (Verfahren zum Studium von Struktur- und Oberflächenänderungen fester Körper mittels des radioaktiven Edelgases Radon) und begründete die Rubidium-Strontium-Methode zur geologischen Altersbestimmung (1923).

Die Entdeckung des Neutrons 1932 durch J. CHADWICK,
der künstlichen Radioaktivität durch F. und I. JOLIOT- CURIE (1934) sowie die vermeintliche Entdeckung der Transurane durch E. FERMI (1934) veranlassten HAHN und MEITNER, ihre Zusammenarbeit wieder zu verstärken und sich diesen »Transuranen« zuzuwenden. Für die notwendigen chemischen Analysen wurde STRASSMANN in die Arbeit einbezogen, der seit 1929 HAHN assistierte. Zwischen 1934 und 1938 entstanden 15 Publikationen über Fragen der Umwandlung des Uraniums durch Neutronen, wobei auf Grundlage der Hypothese von FERMI Transurane als Umwandlungsprodukte erwartet wurden. Bei diesen Kernumwandlungen entstanden unter anderem radioaktive Produkte, die sich nur mit Barium separieren ließen; in ihnen wurden deshalb Radiumisotope vermutet. Dass ebenso gut Barium entstanden sein könnte, lag anfangs außerhalb jeder sinnvollen Vermutung. Chemische Analysen zeigten Ende 1938 aber eindeutig, dass Barium entstanden war, folglich eine Spaltung des Uraniumkernes vorliegen musste. Noch bevor HAHN und STRASSMANN dieses Ergebnis publizierten, teilten sie es der im Sommer 1938 aus Deutschland nach Schweden emigrierten MEITNER mit, die kurz darauf in gemeinsamer Arbeit mit O. R. FRISCH die physikalische Begründung dafür lieferte.

Am physikalischen Problem der Energiegewinnung auf der Basis der Atomkernspaltung war HAHN nur wenig interessiert und folglich am deutschen Atomforschungsprojekt während des zweiten Weltkrieges auch nicht beteiligt. Seine weiteren Arbeiten in dieser Zeit betrafen die chemische Untersuchung der Spaltprodukte. Mit den führenden deutschen Kernphysikern wurde HAHN nach dem zweiten Weltkrieg zunächst von den Alliierten in England interniert. Dort erfuhr er von den amerik. Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki. Tief erschüttert und sich seiner Verantwortung als Entdecker der Kernspaltung bewusst, trat er in seinen letzten Lebensjahrzehnten aktiv gegen den Missbrauch der Atomenergie auf. So war er unter anderem Mitinitiator der »Mainauer Erklärung« der Nobelpreisträger von 1955 und des »Göttinger Appells« von 18 führenden westdeutschen Atomforschern gegen die atomare Aufrüstung der BRD von 1957. Sein Aufsatz »Cobalt 60« von 1955 - auch als Rundfunkrede in mehreren Ländern ausgestrahlt - war ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung der Menschheit über die Gefahren, aber auch über den möglichen Nutzen der Atomenergie.

1946 wurde HAHN auf Initiative PLANCKS Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die er 1948 in die Max-Planck-Gesellschaft umwandelte und der er bis 1960 vorstand. Neben der Mitgliedschaft in verschiedenen Akademien und Gesellschaften wurden ihm viele Ehrungen zuteil: für die Entdeckung der Spaltung schwerer Atomkerne erhielt er 1945 den Nobelpreis für Chemie des Jahres 1944 zugesprochen (entgegengenommen 1946); unter anderem wurden ihm verliehen die Cothenius-Medaille der Leopoldina zu Halle (1943), die Max-Planck-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (1949), die Faraday-Medaille der British Chemical Society (1956), der Enrico-Fermi-Preis (1966, zusammen mit MEITNER und STRASSMANN) sowie mehrere Ehrendoktorate. 1954 wurde der Otto-Hahn-Preis der Physikalischen Gesellschaft der BRD gestiftet, 1964 lief die »Otto Hahn« (erstes nukleargetriebenes Handelsschiff der BRD) vom Stapel.

Literatur

  • Hahn, O. (mit F. Straßmann): Über das Zerplatzen des Urankerns durch langsame Neutronen.
  • Abh. Preuß. Ak. d. Wiss. (1939), 12, Cobalt 60 - Gefahr oder Segen für die Menschheit (Göttingen 1955),
  • Vom Radiothor zur Uranspaltung (Braunschweig 1962), Erinnerungen an einige Arbeiten - anders geplant als verlaufen, in: Naturwiss. Rundschau 18 (1965), 86,
  • Mein Leben (München 1968). Hahn, D.:
  • Otto Hahn - Begründer des Atomzeitalters (München 1979);
  • Hoffmann, K.: Otto Hahn - Stationen aus dem Leben eines Atomforschers (Berlin 1978);
  • Kant, H.: Kernspaltung -Vorgeschichte und Folgen einer Berliner Entdeckung vor 50 Jahren, in: Physik in der Schule 27 (1989) 3;
  • Melcher, H.: Zwischen Chemie und Physik - Otto Hahn, in: Wiss. Fortschr.29 (1979) 7, 256-260;
  • Spence, R.: Otto Hahn, in: Biographical Memoirs of Fellows of the Royal Society, 16 (1970), 279-313;
  • Stolz, W.: Otto Hahn - Lise Meitner (2. Aufl., Leipzig 1989).

Veröffentlichung des Textes im Internet mit freundlicher Genehmigung durch den Harri Deutsch Verlag aus dem
Fachlexikon abc Forscher und Erfinder / [Hrsg.: Hans-Ludwig
Wussing ...]. - Thun; Frankfurt am Main: Deutsch, 1992
ISBN 3-8171-1258-0
NE: Wussing, Hans [Hrsg.); Abc Forscher und Erfinder

1. Auflage 1992
Verlag Harri Deutsch, Thun, Frankfurt am Main, 1992

Herausgeber: Wußing, Hans-Ludwig (Leiter des Reaktionskollegiums) Prof. Dr. rer. nat. habil. Dietrich, Hans Dr. phil. Purkert, Walter Prof. em. Dr. med. habil.