Kein hochangereichertes Uran mehr im Berliner Forschungsreaktor

Zur Inbetriebnahme des modernisierten Forschungsreaktors am Hahn- Meitner-Institut erklärt Wolf-Michael Catenhusen, Parlamentarischer Staats- sekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung:

"Forschung in Deutschland ist auch in Zukunft auf leistungsfähige Neutronenquellen angewiesen. Der Hahn-Meitner-Forschungsreaktor ist ein wichtiges Instrument für die deutsche Forschungslandschaft, von dessen Nutzung speziell die Hochschulforschung profitieren wird. Die Neutronenforschung gewinnt insbesondere zur Strukturaufklärung von Materialien eine immer größere Bedeutung."

Catenhusen begrüßte anläßlich der Inbetriebnahme im Besonderen die erfolgreiche Umstellung des Reaktors auf den Betrieb mit niedrig ange reichertem Uran.

Die weltweit fast 200 Forschungsreaktoren gerieten in den 70er Jahren in das Blickfeld der internationalen Bemühungen gegen die Weiterverbreitung von Kernwaffen. Denn anders als Kernkraftwerke besaßen viele Forschungsreaktoren Brennelemente, in denen das spaltbare Uran-Isotop 235 gegenüber dem nicht spaltbaren Isotop U-238 bis auf über 90 Prozent angereichert war.

Eines der Ergebnisse der Internationalen Konferenz zur Überprüfung des Brennstoffkreislaufs (engl. INFCE) war es deshalb, Brennelemente mit hoch angereichertem Uran (High-Enriched-Uranium; kurz "HEU") gegen solche mit niedrig angereichertem Uran (Low-Enriched-Uranium; kurz "LEU") zu ersetzen, bei denen der Anteil des spaltbaren Uran-Isotop 235 auf unter 20 Prozent festgelegt wurde. Ungeachtet der Tatsache, dass der gesamte zivile Stoffkreislauf von Spaltmaterial ohnehin strengen Bilanzkontrollen sowohl der Europäischen (Euratom) wie der Internationalen Atomenergie Behörde (IAEA) unterliegt, hat LEU den Vorteil, ohne weiteren Anreicherungsprozess, den nur wenige Staaten beherrschen, aus physikalischen Gründen für Kernwaffen ungeeignet zu sein.

Forschungsreaktoren profitierten bisher von einer wertvollen Eigenschaft der HEU-Brennelemente: Mit ihnen lassen sich besonders kompakte Reaktorkerne errichten, die eine intensive Neutronenstrahlung abgeben. Solch ein hoher Neutronenfluss, gemessen in der Zahl der Neutronen je Quadratzentimeter und Sekunde, ist Grundlage der wissenschaftlichen Untersuchungen an Forschungsreaktoren.

Mehrjährige Arbeiten zur Entwicklung neuer hochdichter Brennstoffe im internationalen RERTR-Programm (Reduced Enrichment for Research and TRIGA Reactors), an denen sich Deutschland aktiv beteiligt hat, führten in den 80er Jahren zu LEU-Brennstoffen, mit denen sich vergleichbar leistungsfähige Brennelemente herstellen lassen. Der neue Brennstoff besteht aus einer Uran-Silizium-Verbindung, in der das Uran in mehrfach höherer Dichte im Material enthalten ist, als dies zuvor technisch möglich war.

Im Forschungsreaktor des Berliner Hahn-Meitner-Instituts wurden mit Zustimmung der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde beim Berliner Senat im August/September 1997 die ersten LEU-Brennelemente im Reaktorkern hinzugeladen und der Umstieg auf niedrig angereicherten Brennstoff begonnen. In der Folge sind bei jedem Kernumbau, der etwa alle zwei Monate stattfand, drei bis vier der abgebrannten HEU-Brennelemente durch solche mit LEU ersetzt worden. In der zweiten Februarwoche dieses Jahres werden alle 30 Brennelemente niedrig angereicherten Brennstoff enthalten. Während der Umstellungszeit konnten sowohl der reguläre Reaktorbetrieb wie das wissenschaftliche Programm erfolgreich weitergeführt werden.


Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Hahn-Meitner-Instituts vom 10. Februar 2000


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