Blauer Phosphor – jetzt erstmals vermessen und kartiert

Die STM-Aufnahme zeigt Blauen Phosphor auf einem Gold-Substrat. Blau eingezeichnet sind die errechneten Positionen der leicht erhöhten P-Atome, weiß, die der tiefer liegenden. Im STM-Bild zeigen sich Gruppen aus sechs erhöhten P-Atomen als Dreiecke.

Die STM-Aufnahme zeigt Blauen Phosphor auf einem Gold-Substrat. Blau eingezeichnet sind die errechneten Positionen der leicht erhöhten P-Atome, weiß, die der tiefer liegenden. Im STM-Bild zeigen sich Gruppen aus sechs erhöhten P-Atomen als Dreiecke. © HZB

Die Existenz von „Blauem“ Phosphor war bis vor kurzem reine Theorie: Nun konnte ein HZB-Team erstmals Proben aus blauem Phosphor an BESSY II untersuchen und über ihre elektronische Bandstruktur bestätigen, dass es sich dabei tatsächlich um diese exotische Phosphor-Modifikation handelt. Blauer Phosphor ist ein interessanter Kandidat für neue optoelektronische Bauelemente. Die Ergebnisse sind nun in Nano Letters publiziert.

Das Element Phosphor tritt in vielerlei Gestalt auf und wechselt mit jeder neuen Modifikation auch den Katalog seiner Eigenschaften. Bisher bekannt waren roter, violetter, weißer und schwarzer Phosphor. Während einige Phosphorverbindungen sogar lebenswichtig sind, ist weißer Phosphor giftig und brandgefährlich und schwarzer Phosphor ganz im Gegenteil besonders stabil. Doch nun ist eine weitere Modifikation identifiziert: 2014 hat ein Team der Michigan State University, USA, durch Modellierungen herausgefunden, dass auch „Blauer Phosphor“ stabil sein sollte. In dieser Modifikation vernetzen sich die Phosphor-Atome ähnlich wie beim Graphen zu einer Art Bienenwabenstruktur, die jedoch nicht perfekt flach ist, sondern regelmäßige „Buckel“ hat. Modellrechnungen zeigen, dass diese Phosphor-Modifikation kein Halbleiter mit einer schmalen Energielücke ist, sondern eine verhältnismäßig große Bandlücke von 2 Elektronenvolt aufweisen sollte. Das wäre etwa der siebenfache Wert des schwarzen Phosphors im Volumen und hochinteressant für optoelektronische Anwendungen.

Blauer Phosphor an BESSY II untersucht

2016 gelang es, Blauen Phosphor durch Aufdampfen auf einer Goldoberfläche abzuscheiden. Doch erst jetzt gibt es die Gewissheit, dass es sich dabei tatsächlich um Blauen Phosphor handelt. Dafür hat ein Team vom HZB um Evangelos Golias an BESSY II erstmals die elektronische Bandstruktur solcher Proben vermessen. Sie konnten die Energieverteilung der äußeren gebundenen Elektronen im Valenzband mit der Methode der winkelaufgelösten Photoemissionsspektroskopie abtasten und damit eine untere Grenze für den Wert der Bandlücke von blauem Phosphor angeben.

Bandstruktur durch Gold-Substrat beeinflusst

Dabei fanden sie heraus, dass die P-Atome sich nicht ganz unabhängig vom Gold-Substrat anordnen, sondern versuchen, sich an die Abstände zwischen den Gold-Atomen anzupassen. Dies verzerrt das gewellte Wabengitter, was sich wiederum auf die Energieverteilung der Elektronen auswirkt. So stimmt die Oberkante des Valenzbands, wo die  Bandlücke beginnt, mit der theoretischen Vorhersage überein, ist jedoch etwas verschoben.

Ausblick: optoelektronische Anwendungen

„Bisher hat man vor allem schwarzem Phosphor benutzt, um davon einzelne Atomlagen abzutragen“, erklärt Oliver Rader, der die HZB-Abteilung „Materialien für grüne Spintronik“ leitet. „Diese einzelnen Atomlagen weisen ebenfalls eine große Bandlücke auf, besitzen aber nicht die Bienenwabenstruktur des blauen Phosphors und können vor allem nicht direkt auf einem Substrat hergestellt werden. Unsere Ergebnisse offenbaren nicht nur die Materialeigenschaften dieser neuartigen zweidimensionalen Modifikation des Phosphors, sondern zeigen auch, wie das Substrat das Verhalten der Elektronen im blauen Phosphor beeinflusst. Und das ist ein wichtiger Faktor für jegliche optoelektronische Anwendung.“

Zur Publikation in Nano Letters (2018): Band renormalization of blue phosphorus on Au(111); E. Golias, M. Krivenkov, A. Varykhalov, J. Sanchez-Barriga & O. Rader

DOI:10.1021/acs.nanolett.8b01305

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Synchrotronstrahlungsquellen: Werkzeugkästen für Quantentechnologien
    Science Highlight
    01.12.2025
    Synchrotronstrahlungsquellen: Werkzeugkästen für Quantentechnologien
    Synchrotronstrahlungsquellen erzeugen hochbrillante Lichtpulse, von Infrarot bis zu harter Röntgenstrahlung, mit denen sich tiefe Einblicke in komplexe Materialien gewinnen lassen. Ein internationales Team hat nun im Fachjournal Advanced Functional Materials einen Überblick über Synchrotronmethoden für die Weiterentwicklung von Quantentechnologien veröffentlicht: Anhand konkreter Beispiele zeigen sie, wie diese einzigartigen Werkzeuge dazu beitragen können, das Potenzial von Quantentechnologien wie z. B. Quantencomputing zu erschließen, Produktionsbarrieren zu überwinden und den Weg für zukünftige Durchbrüche zu ebnen.
  • Neue Katalysatormaterialien auf Basis von Torf für Brennstoffzellen
    Science Highlight
    25.11.2025
    Neue Katalysatormaterialien auf Basis von Torf für Brennstoffzellen
    Eisen-Stickstoff-Kohlenstoff-Katalysatoren haben das Potenzial, teure Platinkatalysatoren in Brennstoffzellen zu ersetzen. Dies zeigt eine Studie aus Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB), der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und der Universitäten in Tartu und Tallinn, Estland. An BESSY II beobachtete das Team, wie sich komplexe Mikrostrukturen in den Proben bilden. Anschließend analysierten sie, welche Strukturparameter für die Förderung der bevorzugten elektrochemischen Reaktionen besonders wichtig waren. Der Rohstoff für solche Katalysatoren ist gut zersetzter Torf.
  • Helmholtz-Nachwuchsgruppe zu Magnonen
    Nachricht
    24.11.2025
    Helmholtz-Nachwuchsgruppe zu Magnonen
    Dr. Hebatalla Elnaggar baut am HZB eine neue Helmholtz-Nachwuchsgruppe auf. An BESSY II will die Materialforscherin sogenannte Magnonen in magnetischen Perowskit-Dünnschichten untersuchen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, mit ihrer Forschung Grundlagen für eine zukünftige Terahertz-Magnon-Technologie zu legen: Magnonische Bauelemente im Terahertz-Bereich könnten Daten mit einem Bruchteil der Energie verarbeiten, die moderne Halbleiterbauelemente benötigen, und das mit bis zu tausendfacher Geschwindigkeit.

    Dr. Hebatalla Elnaggar will an BESSY II magnetische Perowskit-Dünnschichten untersuchen und damit die Grundlagen für eine künftige Magnonen-Technologie schaffen.