Neutronenforschung hilft bei der Entwicklung von zerstörungsfreien Prüfverfahren

(a) Neutronen-Eigenspannungsmessung an einer Schweißprobe aus handelsüblichen Stahl, (b) Magnetfeldmessung, (c) Schweißnahtquerschliff.

(a) Neutronen-Eigenspannungsmessung an einer Schweißprobe aus handelsüblichen Stahl, (b) Magnetfeldmessung, (c) Schweißnahtquerschliff. © BAM

Materialermüdung zeigt sich häufig zuerst daran, dass im Innern des Materials Bereiche mit stark unterschiedlichen Eigenspannungen aneinandergrenzen. An der Neutronenquelle BER II am HZB hat ein Team der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM) die Eigenspannungen von Schweißnähten aus ferromagnetischem Stahl analysiert. Die Ergebnisse helfen zerstörungsfreie elektromagnetische Prüfverfahren zu verbessern.

Neutronenmessungen sind nach wie vor das Verfahren der Wahl, um vorhandene Eigenspannungen tief im Inneren von Materialien sehr exakt zu ermitteln. Hohe Unterschiede in Eigenspannungen sind für ein Material gleichbedeutend mit großem „Stress“, unter denen es sogar reißen kann. Allerdings stehen Neutronen nicht einfach so zur Verfügung, sondern erfordern Großgeräte wie die Berliner Neutronenquelle am HZB.

Ein Team des Fachbereichs 8.4 von der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) arbeitet daran, feinste Materialveränderung in ferromagnetischen Materialien frühzeitig zu identifizieren. Nun sind sie auf diesem Weg einen großen Schritt weiter gekommen. Die Forscher untersuchten dafür zunächst die sehr schwachen Magnetfelder von Schweißnähten aus einem ferromagnetischen Stahl. Mit Hilfe von speziellen Magnetfeldsensoren (sogenannten GMR-Sensoren; engl.: giant magneto resistance, dt.: Riesenmagnetwiderstand) gelang dies mit einer deutlich höheren Empfindlichkeit als sie zum Vermessen des Erdmagnetfelds notwendig ist und mit einer Ortsauflösung im zehntel Mikrometerbereich.

Im Anschluss identifizierten die Forscher die unterschiedlichen Materialeigenheiten der Schweißnähte, die beim Schweißen durch Erhitzen und Abkühlen des Materials entstehen. Dabei stellten sie überraschende Zusammenhänge fest: bereits geringfügige Veränderungen im Werkstoff, erzeugten Variationen im Magnetfeld. Die größten und deutlichsten Magnetfeldänderungen zeigten sich dabei in Bereichen mit homogener Mikrostruktur der Proben.

Mit Hilfe der Neutronenanalysen am HZB konnten die Forscher unter Leitung von Prof. Giovanni Bruno ihre Vermutung belegen, dass offenbar genau in diesen Bereichen stark unterschiedliche Eigenspannungsniveaus aufeinandertreffen.

Gegenwärtig sind die Forscher von der BAM auf der Suche, unter welchen Umständen Eigenspannungsgradienten solch hohe magnetische Streufelder erzeugen. Es lohnt sich, die Umstände noch genauer zu untersuchen. Damit rückt die Vision näher, mit Hilfe von Magnetfeldsensoren relevante Materialveränderungen bereits frühzeitig zu erkennen, bevor ein Riss überhaupt entsteht – und zwar preiswert und zerstörungsfrei.

Publiziert im Journal of Nondestructive Evaluation, 2018, Band 37: Influence of the microstructure on magnetic stray fields of low-carbon steel welds; R. Stegemann, S. Cabeza, M. Pelkner, V. Lyamkin, A. Pittner, D. Werner, R. Wimpory, M. Boin, M. Kreutzbruck, G. Bruno.

Robert Stegemann

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Science Highlight
    21.10.2025
    BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Erstmals ist es einem Team an BESSY II gelungen, experimentell eindimensionale elektronische Eigenschaften in einem Material nachzuweisen. Die Proben bestanden aus kurzen Ketten aus Phosphoratomen, die sich auf einem Silbersubstrat selbst organisiert in bestimmten Winkeln bilden. Durch eine raffinierte Auswertung gelang es, die Beiträge von unterschiedlich ausgerichteten Ketten voneinander zu trennen und zu zeigen, dass die elektronischen Eigenschaften tatsächlich einen eindimensionalen Charakter besitzen. Berechnungen zeigten darüber hinaus, dass ein spannender Phasenübergang zu erwarten ist. Während das Material aus einzelnen Ketten halbleitend ist, wäre eine sehr dichte Kettenstruktur metallisch.
  • Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Science Highlight
    20.10.2025
    Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Vor Jahrmillionen produzierten einige Meeresorganismen mysteriöse Magnetpartikel von ungewöhnlicher Größe, die heute als Fossilien in Sedimenten zu finden sind. Nun ist es einem internationalen Team gelungen, die magnetischen Domänen auf einem dieser „Riesenmagnetfossilien” mit einer raffinierten Methode an der Diamond-Röntgenquelle zu kartieren. Ihre Analyse zeigt, dass diese Partikel es den Organismen ermöglicht haben könnten, winzige Schwankungen sowohl in der Richtung als auch in der Intensität des Erdmagnetfelds wahrzunehmen. Dadurch konnten sie sich verorten und über den Ozean navigieren. Die neue Methode eignet sich auch, um zu testen, ob bestimmte Eisenoxidpartikel in Marsproben tatsächlich biogenen Ursprungs sind.
  • Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Science Highlight
    16.10.2025
    Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Mit Infrarot-Vibrationsspektroskopie an BESSY II lassen sich hochaufgelöste Karten von Molekülen in lebenden Zellen und Zellorganellen in ihrer natürlichen wässrigen Umgebung erstellen, zeigt eine neue Studie von einem Team aus HZB und Humboldt-Universität zu Berlin. Die Nano-IR-Spektroskopie mit SNOM an der IRIS-Beamline eignet sich, um winzige biologische Proben zu untersuchen und Infrarotbilder der Molekülschwingungen mit Nanometer-Auflösung zu erzeugen. Es ist sogar möglich, 3D-Informationen, also Infrarot-Tomogramme, aufzuzeichnen. Um das Verfahren zu testen, hat das Team Fibroblasten auf einer hochtransparenten SiC-Membran gezüchtet und in vivo untersucht. Die Methode ermöglicht neue Einblicke in die Zellbiologie.