Mehr Informationen aus Mikroskopie-Abbildungen durch Rechenleistung

Am 27.11.2019 fand am HZB das Auftakttreffen des Helmholtz-Inkubator-Projekts Ptychography 4.0 statt. Sieben Helmholtz-Zentren wollen gemeinsam Methoden der Datenwissenschaft weiter entwickeln, um mehr Informationen aus Elektronen- und Röntgenmikroskopie zu gewinnen. Insbesondere geht es darum, mit „virtuellen Linsen“ Abbildungsfehler zu korrigieren und so das Auflösungsvermögen deutlich zu steigern.

Ptychography 4.0 gehört zu den Pilotprojekten des Inkubator-Förderprogramms im Bereich Information und Datenwissenschaften und wird aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds des Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft mit knapp 1,7 Millionen Euro gefördert. Die Helmholtz-Zentren beteiligen sich mit Eigenmitteln in gleicher Höhe.

„Mit der Ptychographie 4.0 arbeiten wir daran, die Auflösung in der Elektronenmikroskopie, aber auch in der Röntgenmikroskopie deutlich zu steigern, indem wir Abbildungsfehler rechnerisch korrigieren“, erläutert Dr. Markus Wollgarten, der am HZB das CoreLab für Korrelative Spektroskopie und Mikroskopie leitet. So wäre es zum Beispiel möglich, feinste Oberflächenstrukturen in Bakterien oder Viren extrem scharf darzustellen oder neue Materialien wie Graphen atomar genau abzubilden, ohne dass man auf kostspielige Korrektor-Optiken zurückgreifen muss.

Bei konventionellen Mikroskopieverfahren wird Licht (oder ein Elektronenstrahl) durch die Probe geschickt, ein Detektor misst dahinter die verbleibenden Intensitäten und man erhält so ein Bild der Probe. Dabei geht jedoch die wertvolle Information über die probenbedingte Phasenänderung der Strahlung verloren. Bei der Ptychographie 4.0 wird diese Information rechnerisch berücksichtigt und ausgewertet. Dies erfordert zwar Datenraten im Bereich von Gigabyte/Sekunde, erlaubt aber dann, die Probenstruktur mit großer Genauigkeit rechnerisch zu rekonstruieren. Abbildungsfehler des Mikroskops spielen dabei praktisch keine Rolle.

Die Kooperationspartner wollen nun diesen Ansatz weiter entwickeln und die Methode für den Routineeinsatz mit verschiedenen Strahlungsarten, wie beispielsweise Röntgenstrahlung, Elektronen oder XUV Licht, optimieren. Insbesondere soll die Bildrekonstruktion so stark beschleunigt werden, dass Abbildungen in Echtzeit möglich sind.

„Mit Ptychographie 4.0 umgehen wir limitierende Abbildungsfehler, so dass wir auf die sehr kostenintensiven physikalischen Korrektor-Optiken verzichten können – damit werden sich künftig wesentlich mehr Einrichtungen state-of-the-art Hochauflösungsmikroskopie leisten können“, betont Wollgarten.

Partner:
Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY)
Forschungszentrum Jülich (FZJ)
Helmholtz Institut Jena (GSI, HI-Jena)
Helmholtz Zentrum München (HMGU)
Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB)
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI)

Koordination:
PD Dr. Wolfgang zu Castell
Helmholtz Zentrum München (HMGU)
castell@helmholtz-muenchen.de
Prof. Dr. Christian Schroer
Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY)
christian.schroer@desy.de

Am HZB sind neben Dr. Markus Wollgarten auch Prof. Dr. Gerd Schneider (Röntgenmikroskopie) sowie Ants Finke (IT-Abteilung) beteiligt.

arö


Das könnte Sie auch interessieren

  • Neutronenexperiment am BER II deckt neue Spin-Phase in Quantenmaterial auf
    Science Highlight
    18.03.2024
    Neutronenexperiment am BER II deckt neue Spin-Phase in Quantenmaterial auf
    In quantenmagnetischen Materialien unter Magnetfeldern können neue Ordnungszustände entstehen. Nun hat ein internationales Team aus Experimenten an der Berliner Neutronenquelle BER II und am dort aufgebauten Hochfeldmagneten neue Einblicke in diese besonderen Materiezustände gewonnen. Der BER II wurde bis Ende 2019 intensiv für die Forschung genutzt und ist seitdem abgeschaltet. Noch immer werden neue Ergebnisse aus Messdaten am BER II publiziert.
  • Wo Quantencomputer wirklich punkten können
    Science Highlight
    15.03.2024
    Wo Quantencomputer wirklich punkten können
    Das Problem des Handlungsreisenden gilt als Paradebeispiel für kombinatorische Optimierungsprobleme. Nun zeigt ein Berliner Team um den theoretischen Physiker Prof. Dr. Jens Eisert der Freien Universität Berlin, dass eine bestimmte Klasse solcher Probleme tatsächlich durch Quantencomputer besser und sehr viel schneller gelöst werden kann als mit konventionellen Methoden.
  • Unkonventionelle Piezoelektrizität in ferroelektrischem Hafnium
    Science Highlight
    26.02.2024
    Unkonventionelle Piezoelektrizität in ferroelektrischem Hafnium
    Hafniumoxid-Dünnschichten sind eine faszinierende Klasse von Materialien mit robusten ferroelektrischen Eigenschaften im Nanometerbereich. Während das ferroelektrische Verhalten ausgiebig untersucht wurde, blieben die Ergebnisse zu den piezoelektrischen Effekten bisher rätselhaft. Eine neue Studie zeigt nun, dass die Piezoelektrizität in ferroelektrischen Hf0,5Zr0,5O2-Dünnschichten durch zyklische elektrische Felder dynamisch verändert werden kann. Ein weiteres bahnbrechendes Ergebnis ist die Möglichkeit einer intrinsischen nicht-piezoelektrischen ferroelektrischen Verbindung. Diese unkonventionellen Eigenschaften von Hafnia bieten neue Optionen für den Einsatz in der Mikroelektronik und Informationstechnologie.