BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe

In der Nano-IR-Bildgebung sind die Schichtstrukturen der reinen PVDF/PLLA-Mischung (links) und mit dem SAD-Zusatz (rechts) deutlich unterscheidbar. Die hellen und dunklen Farben entsprechen den PLLA- bzw. PVDF-Phasen. Bei Zugabe von SAD werden die Domänengrößen der beiden Phasen reduziert.

In der Nano-IR-Bildgebung sind die Schichtstrukturen der reinen PVDF/PLLA-Mischung (links) und mit dem SAD-Zusatz (rechts) deutlich unterscheidbar. Die hellen und dunklen Farben entsprechen den PLLA- bzw. PVDF-Phasen. Bei Zugabe von SAD werden die Domänengrößen der beiden Phasen reduziert. © TU Eindhoven/HZB

Während der Messkampagne an BESSY II: Claudia Hanegraaf, Paul van Heugten und Hamid Ahmadi, TU Eindhoven, NL (v.l.n.r.).

Während der Messkampagne an BESSY II: Claudia Hanegraaf, Paul van Heugten und Hamid Ahmadi, TU Eindhoven, NL (v.l.n.r.). © TU Eindhoven/HZB

Umweltfreundliche Thermoplaste aus nachwachsenden Rohstoffen lassen sich nach Gebrauch recyclen. Ihre Belastbarkeit lässt sich verbessern, indem man sie mit anderen Thermoplasten mischt. Um optimale Eigenschaften zu erzielen, kommt es jedoch auf die Grenzflächen in diesen Mischungen an. Ein Team der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden hat nun an BESSY II untersucht, wie sich mit einem neuen Verfahren aus zwei Grundmaterialien thermoplastische „Blends“ mit hoher Grenzflächenfestigkeit herstellen lassen: Aufnahmen an der neuen Nanostation der IRIS-Beamline zeigten, dass sich dabei nanokristalline Schichten bilden, die die Leistungsfähigkeit des Materials erhöhen.

Biobasierte Thermoplaste gelten als umweltfreundlich. Sie werden nicht aus erdölbasierten Rohstoffen gewonnen, sondern aus nachwachsenden pflanzlichen Materialien und lassen sich wie Standardthermoplaste recyceln. Ein thermoplastisches Basismaterial ist Polymilchsäure (PLA), die aus Zuckerrohr oder Mais hergestellt werden kann. Weltweit arbeiten viele Forschungsgruppen daran, die Eigenschaften von PLA-basierten Kunststoffen zu optimieren, indem sie sie beispielsweise mit anderen thermoplastischen Basismaterialien mischen. Dies ist jedoch eine echte Herausforderung.

Neues Verfahren für bessere Mischung

Nun zeigt ein Team der TU Eindhoven um Prof. Ruth Cardinaels, wie sich PLA erfolgreich mit einem anderen Thermoplast mischen lässt. Sie entwickelten ein Verfahren, bei dem während der Herstellung bestimmte PLA-basierte Ko-Polymere (z. B. SAD) gebildet werden. Diese erleichtern die die Vermischung der beiden Grundstoffe, indem sie an den Grenzflächen zwischen den verschiedenen Polymerphasen besonders stabile (stereo)-kristalline Schichten bilden (ICIC-Strategie).

Experimente an der IRIS-Beamline von BESSY II

An BESSY II haben sie nun herausgefunden, welche Prozesse dafür sorgen, dass die mechanischen Eigenschaften des gemischten Thermoplasten deutlich besser sind. Dazu untersuchten sie an der IRIS-Beamline von BESSY II reine 50%-Mischungen der Thermoplaste PLA und Polyvinylidenfluorid (PVDF) sowie Proben mit den PLA-basierten Copolymeren.

KrIstallisation ist entscheidend

Mit Hilfe der Infrarotspektroskopie an der IRIS-Beamline konnte der Doktorand Hamid Ahmadi die Bildung des PLA-basierten Copolymers SAD nachweisen. Weitere Röntgenmessungen zeigten, wie sich die Bildung von SAD auf das Kristallisationsverhalten auswirkt. Die neuen Möglichkeiten der Nano-Bildgebung und -Spektroskopie an der IRIS-Beamline ermöglichen eine chemische Visualisierung und Identifizierung von Probenbereichen, die nur 30 nm groß sind. Diese Präzision war entscheidend für die Feststellung, dass sich die Stereokomplexkristalle ausschließlich an der Grenzfläche befinden. Infrarot-Nanoskopie-Bilder zeigten eine 200–300 nm dicke Schicht aus Stereokomplexkristallen an den Grenzflächen.

Grund für bessere Stabilität

Die Bildung von Stereokomplexkristallen an den Grenzflächen erhöht die Stabilität und Kristallisationstemperatur. Die Keimbildung an der Grenzfläche beschleunigt den gesamten Kristallisationsprozess innerhalb der PLLA/PVDF-Mischung. Außerdem verbessert die kristalline Grenzschicht die Übertragung mechanischer Spannungen zwischen den Phasen und somit die Zugeigenschaften; die Bruchdehnung steigt sogar um bis zu 250 %.

„Durch die Aufklärung der Lage und Verteilung der kristallinen Schicht in unseren Proben konnten wir das Mischverfahren viel besser verstehen“, sagt Hamid Ahmadi. ‚Durch die Entwicklung einer neuen Strategie haben wir den Weg für die Entwicklung von Hochleistungspolymermischungen geebnet‘, fügt Ruth Cardinaels hinzu.

 

Hinweis: Die IRIS-Beamline bei BESSY II wurde in 2024 um eine Nanomikroskopie erweitert, die es ermöglicht, Bilder von Probenbereichen von ~30 nm zu erstellen und IR-Spektroskopie durchzuführen. Mehr dazu lesen Sie hier: Meldung zur IRIS-Beamline vom 25.04.2024

 

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Science Highlight
    21.10.2025
    BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Erstmals ist es einem Team an BESSY II gelungen, experimentell eindimensionale elektronische Eigenschaften in einem Material nachzuweisen. Die Proben bestanden aus kurzen Ketten aus Phosphoratomen, die sich auf einem Silbersubstrat selbst organisiert in bestimmten Winkeln bilden. Durch eine raffinierte Auswertung gelang es, die Beiträge von unterschiedlich ausgerichteten Ketten voneinander zu trennen und zu zeigen, dass die elektronischen Eigenschaften tatsächlich einen eindimensionalen Charakter besitzen. Berechnungen zeigten darüber hinaus, dass ein spannender Phasenübergang zu erwarten ist. Während das Material aus einzelnen Ketten halbleitend ist, wäre eine sehr dichte Kettenstruktur metallisch.
  • Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Science Highlight
    20.10.2025
    Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Vor Jahrmillionen produzierten einige Meeresorganismen mysteriöse Magnetpartikel von ungewöhnlicher Größe, die heute als Fossilien in Sedimenten zu finden sind. Nun ist es einem internationalen Team gelungen, die magnetischen Domänen auf einem dieser „Riesenmagnetfossilien” mit einer raffinierten Methode an der Diamond-Röntgenquelle zu kartieren. Ihre Analyse zeigt, dass diese Partikel es den Organismen ermöglicht haben könnten, winzige Schwankungen sowohl in der Richtung als auch in der Intensität des Erdmagnetfelds wahrzunehmen. Dadurch konnten sie sich verorten und über den Ozean navigieren. Die neue Methode eignet sich auch, um zu testen, ob bestimmte Eisenoxidpartikel in Marsproben tatsächlich biogenen Ursprungs sind.
  • Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Science Highlight
    16.10.2025
    Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Mit Infrarot-Vibrationsspektroskopie an BESSY II lassen sich hochaufgelöste Karten von Molekülen in lebenden Zellen und Zellorganellen in ihrer natürlichen wässrigen Umgebung erstellen, zeigt eine neue Studie von einem Team aus HZB und Humboldt-Universität zu Berlin. Die Nano-IR-Spektroskopie mit SNOM an der IRIS-Beamline eignet sich, um winzige biologische Proben zu untersuchen und Infrarotbilder der Molekülschwingungen mit Nanometer-Auflösung zu erzeugen. Es ist sogar möglich, 3D-Informationen, also Infrarot-Tomogramme, aufzuzeichnen. Um das Verfahren zu testen, hat das Team Fibroblasten auf einer hochtransparenten SiC-Membran gezüchtet und in vivo untersucht. Die Methode ermöglicht neue Einblicke in die Zellbiologie.