Elektronische Prozesse während der Katalyse mit neuartigem Röntgen-Spektroskopie-Verfahren beobachtet

Auch bei der Photosynthese spielen Mangan-Verbindungen als Katalysatoren eine Rolle.

Auch bei der Photosynthese spielen Mangan-Verbindungen als Katalysatoren eine Rolle. © HZB

Einem internationalen Team ist an BESSY II ein Durchbruch gelungen. Erstmals konnten sie elektronische Prozesse an einem Übergangsmetall im Detail  untersuchen und aus den Messdaten zuverlässige Rückschlüsse auf deren katalytische Wirkung  ziehen. Ihre Ergebnisse sind hilfreich, um gezielt katalytische Systeme, in deren Zentren Übergangmetalle stehen, für zukünftige Anwendungen zu entwickeln. Die Arbeit ist nun in Chemical Science, dem Open Access Journal der Royal Society of Chemistry, veröffentlicht.

Viele wichtige Prozesse in der Natur benötigen Katalysatoren: Atome oder Moleküle, die die gewünschte Reaktion ermöglichen, aber selbst unverändert aus ihr hervorgehen. Ein Beispiel ist die Photosynthese in Pflanzen, die nur mit Hilfe eines Proteinkomplexes möglich ist, in deren Zentrum vier Mangan-Atome sitzen. Oft spielen in solchen Prozessen sogenannte Redoxreaktionen eine entscheidende Rolle, bei denen die Reaktionsteilnehmer Elektronen austauschen und dabei reduziert (Elektronenaufnahme) bzw. oxidiert (Elektronenabgabe) werden. Katalytische Redoxprozesse in der Natur oder in der Technik gelingen oft nur dank passender Katalysatoren, in denen Übergangsmetalle eine wichtige Funktion übernehmen. 

Weiches Röntgenlicht von BESSY II

Solche Übergangsmetalle und insbesondere ihr Redox- oder Oxidationszustand lassen sich besonders gut mit weichem Röntgenlicht untersuchen. Bei der so genannten L-Kanten-Absorptionspektroskopie werden Elektronen aus der 2p-Schale des Übergangsmetalls angeregt, kurzfristig freie d-Orbitale zu besetzen. Aus dem Röntgen-Absorptionsspektrum lässt sich eine Energiedifferenz ermitteln, von der bekannt ist, dass sie den Oxidationszustand des Moleküls oder des Katalysators widerspiegelt. Wo genau im Katalysator während einer Redoxreaktion die Elektronen jedoch aufgenommen oder abgegeben werden, wie genau also sich die Ladungsdichte im Katalysator bei einer Änderung seines Oxidationszustandes verändert, war bisher weitgehend unbekannt. Dies lag vor allem daran, dass zuverlässige Methoden zur theoretischen Beschreibungen der Ladungsdichten in Katalysator-Molekülen fehlten und dass zuverlässige experimentelle Daten nur schwer zu erhalten sind. Befinden sich nämlich die Übergangsmetalle in größeren, organischen Molekülkomplexen, wie sie typisch sind für funktionierende Redox-Katalysatoren, so wird die Untersuchung äußerst schwierig, da die Röntgenstrahlung sofort zu Schäden in der Probe führt.

Probe in Lösung in unterschiedlichen Oxidationszuständen untersucht

Erstmals ist es nun einem internationalen Team vom HZB, der Uppsala University (Schweden), dem Lawrence Berkeley National Laboratory in Berkeley (USA), der Manchester University (Großbritanien) und dem SLAC National Accelerator Laboratory in Stanford (USA) mit Messungen an BESSY II gelungen, Mangan-Atome in unterschiedlichen Verbindungen und Oxidationszuständen in operando – also während verschiedener Oxidationsstufen – zu untersuchen.  Die Forscher um Philippe Wernet brachten dafür die Proben in unterschiedliche Lösungsmittel, untersuchten den Flüssigkeitsstrahl im Röntgenlicht und verglichen die gemessen Daten mit neuartigen Rechnungen aus der Gruppe um  Marcus Lundberg von der Uppsala University. „Es gelang uns zu ermitteln, wie und vor allem warum sich die Röntgen-Absorptionsspektren mit den Oxidationszuständen verschieben“, so der Theoretiker Marcus Lundberg. Die beiden Doktoranden Markus Kubin (HZB) mit seiner experimetnellen und Meiyuan Guo (Uppsala University) mit seiner theoretischen Expertise spiegeln den interdisziplinären Ansatz der Studie wider und trugen zu gleichen Teilen als Erstautoren der Studie bei.

Durchbruch durch Kombination von Theorie und Experiment

„Wir haben einen neuartigen experimentellen Aufbau mit quantenchemischen Modellrechnungen  kombiniert und dadurch, wie wir meinen, einen Durchbruch für das Verständnis von metallorganischen Katalysatoren erreicht“ sagt Wernet: „Erstmals konnten wir Berechnungen zu Oxidation oder Reduktion, die nicht lokal auf dem Metall, sondern auf dem gesamten Molekül stattfinden, auch im Experiment testen und nachvollziehen.“ Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Grundstein für zukünftigen Arbeiten in der Photosynthese: „Sie werden ein neuartiges Verständnis der Redoxprozesse im Mangan-Katalysator des Photosystem II Proteinkomplexes ermöglichen“, sagt Junko Yano, die intensiv an der Photosynthese forscht.

Published in Chemical Science (2018): Probing the oxidation state of transition metal complexes: a case study on how charge and spin densities determine Mn L-edge X-ray absorption energies; Markus Kubin,  Meiyuan Guo,  Thomas Kroll, Heike Löchel,  Erik Källman,  Michael L. Baker,  Rolf Mitzner,  Sheraz Gul,  Jan Kern,  Alexander Föhlisch, Alexei Erko, Uwe Bergmann,  Vittal Yachandra, Junko Yano,  Marcus Lundberg and  Philippe Wernet;

DOI: 10.1039/C8SC00550H

 

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Grüne Herstellung von Hybridmaterialien als hochempfindliche Röntgendetektoren
    Science Highlight
    08.05.2025
    Grüne Herstellung von Hybridmaterialien als hochempfindliche Röntgendetektoren
    Neue organisch-anorganische Hybridmaterialien auf Basis von Wismut sind hervorragend als Röntgendetektoren geeignet, sie sind deutlich empfindlicher als handelsübliche Röntgendetektoren und langzeitstabil. Darüber hinaus können sie ohne Lösungsmittel durch Kugelmahlen hergestellt werden, einem umweltfreundlichen Syntheseverfahren, das auch in der Industrie genutzt wird. Empfindlichere Detektoren würden die Strahlenbelastung bei Röntgenuntersuchungen erheblich reduzieren.

  • Energiespeicher: BAM, HZB und HU Berlin planen gemeinsames Berlin Battery Lab
    Nachricht
    07.05.2025
    Energiespeicher: BAM, HZB und HU Berlin planen gemeinsames Berlin Battery Lab
    Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und die Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) haben ein Memorandum of Understanding (MoU) zur Gründung des Berlin Battery Lab unterzeichnet. Das Labor wird die Expertise der drei Institutionen bündeln, um die Entwicklung nachhaltiger Batterietechnologien voranzutreiben. Die gemeinsame Forschungsinfrastruktur soll auch der Industrie für wegweisende Projekte in diesem Bereich offenstehen.
  • BESSY II: Einblick in ultraschnelle Spinprozesse mit Femtoslicing
    Science Highlight
    05.05.2025
    BESSY II: Einblick in ultraschnelle Spinprozesse mit Femtoslicing
    Einem internationalen Team ist es an BESSY II erstmals gelungen, einen besonders schnellen Prozess im Inneren eines magnetischen Schichtsystems, eines Spinventils, aufzuklären: An der Femtoslicing-Beamline von BESSY II konnten sie die ultraschnelle Entmagnetisierung durch spinpolarisierte Stromimpulse beobachten. Die Ergebnisse helfen bei der Entwicklung von spintronischen Bauelementen für die schnellere und energieeffizientere Verarbeitung und Speicherung von Information. An der Zusammenarbeit waren Teams der Universität Straßburg, des HZB, der Universität Uppsala sowie weiterer Universitäten beteiligt.