Grüne Spintronik: Mit Spannung Superferromagnetismus erzeugen

Die Kegel symbolisieren die Magnetisierung der Nanopartikel auf dem Bariumtitanat-Gitter. Ohne elektrisches Feld ist ihre Magnetisierung ungeordnet.  

Die Kegel symbolisieren die Magnetisierung der Nanopartikel auf dem Bariumtitanat-Gitter. Ohne elektrisches Feld ist ihre Magnetisierung ungeordnet.   © HZB

Ein elektrisches Feld erzeugt im Bariumtitanat-Gitter mechanische Spannungen, die sich auf die darüber liegenden Eisen-Nanopartikel übertragen. Dadurch richten sich die Nanopartikel lokal zu einer superferromagnetischen Region aus,

Ein elektrisches Feld erzeugt im Bariumtitanat-Gitter mechanische Spannungen, die sich auf die darüber liegenden Eisen-Nanopartikel übertragen. Dadurch richten sich die Nanopartikel lokal zu einer superferromagnetischen Region aus, © HZB

Ein HZB-Team hat zusammen mit internationalen Partnern an der Lichtquelle BESSY II ein neues Phänomen in Eisen-Nanokörnern auf einem ferroelektrischen Substrat beobachtet: Die magnetischen Momente der Eisenkörner richten sich superferromagnetisch aus, sobald eine elektrische Spannung anliegt. Der Effekt funktioniert bei Raumtemperatur und könnte zu neuen Materialien für IT-Bauelemente und Datenspeicher führen, die weniger Energie verbrauchen.

In heutigen Datenspeichern müssen magnetische Domänen mit Hilfe eines externen Magnetfeld umgeschaltet werden, welches durch elektrischen Strom erzeugt wird.  Dies benötigt viel Energie. Nun haben Forscherteams aus Frankreich, Spanien und Deutschland gezeigt, dass auf der Nanoskala ein anderer Ansatz machbar ist: „Wir können lokal in unserer Probe mit einer elektrischen Spannung und minimalem Energieaufwand magnetische Ordnung erzeugen”, berichtet der Leiter des Experiments Dr. Sergio Valencia, HZB.

Nanoteilchen auf ferroelektrischer Unterlage

Die Proben bestehen aus einem keilförmigen Eisenfilm, der auf einem Substrat aus Bariumtitanat  (BaTiO3) aufgebracht wurde. Bariumtitanat ist für seine ferroelektrischen und ferroelastischen Eigenschaften bekannt: Ein elektrisches Feld kann das Kristallgitter verzerren und erzeugt mechanische Spannungen im Gitter. Analysen mit einem Elektronenmikroskop zeigten, dass der Eisenfilm aus winzigen Nanokörnern (Durchmesser 2,5 Nanometer) besteht. Am „dünnen“ Ende  ist der Eisenkeil nur noch 0,5 Nanometer dick, so dass die Nanokörner hier nicht mehr dreidimensional sind, sondern als “null”-Dimensional gelten. Ihre magnetischen Momente sind in diesem Bereich völlig ungeordnet, in einem superparamagnetischen Zustand.

Magnetische Ordnung an BESSY II kartiert

„Am X-PEEM können wir die magnetische Ordnung auf mikroskopischer Skala kartieren. Dabei können wir genau beobachten, was geschieht, wenn wir ein elektrisches Feld an die Probe anlegen. In diesem Fall sehen wir, dass sich die ungeordneten magnetischen Momente der Eisenkörner ausrichten, so dass sich eine superferromagnetische Region ausbildet”, erklärt Dr. Ashima Arora, die die Experimente während ihrer Promotion durchführte. Das elektrische Feld induziert mechanische Spannungen im BaTiO3, die sich offenbar auf die Eisen-Nanokörner am dünnen Ende des Eisenfilm-Keils übertragen und sie zwingen, sich auszurichten.  

Effekt bei Raumtemperatur

Dieses Phänomen konnte das Team nahe der Raumtemperatur beobachten, also nicht – wie häufig in der Spintronik – bei tiefen Temperaturen. „Wir sind deshalb zuversichtlich, dass sich aus dieser Kombination von ferroelektrischen Materialien und magnetischen Nanopartikeln neuartige Bauelemente für die Spintronik entwickeln lassen, die mit sehr viel weniger Energie Daten verarbeiten oder speichern könnten”, sagt Valencia.  

Die Ergebnisse sind in Physical Review Materials (2019) publiziert: "Switching on Superferromagnetism"

A. Arora, L. C. Phillips, P. Nukala, M. Ben Hassine , A.A. Ünal, B. Dkhil, Ll. Balcells, O. Iglesias, A. Barthélémy, F. Kronast, M. Bibes, and S. Valencia

DOI: 10.1103/PhysRevMaterials.3.024403


arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Science Highlight
    21.10.2025
    BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Erstmals ist es einem Team an BESSY II gelungen, experimentell eindimensionale elektronische Eigenschaften in einem Material nachzuweisen. Die Proben bestanden aus kurzen Ketten aus Phosphoratomen, die sich auf einem Silbersubstrat selbst organisiert in bestimmten Winkeln bilden. Durch eine raffinierte Auswertung gelang es, die Beiträge von unterschiedlich ausgerichteten Ketten voneinander zu trennen und zu zeigen, dass die elektronischen Eigenschaften tatsächlich einen eindimensionalen Charakter besitzen. Berechnungen zeigten darüber hinaus, dass ein spannender Phasenübergang zu erwarten ist. Während das Material aus einzelnen Ketten halbleitend ist, wäre eine sehr dichte Kettenstruktur metallisch.
  • Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Science Highlight
    20.10.2025
    Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Vor Jahrmillionen produzierten einige Meeresorganismen mysteriöse Magnetpartikel von ungewöhnlicher Größe, die heute als Fossilien in Sedimenten zu finden sind. Nun ist es einem internationalen Team gelungen, die magnetischen Domänen auf einem dieser „Riesenmagnetfossilien” mit einer raffinierten Methode an der Diamond-Röntgenquelle zu kartieren. Ihre Analyse zeigt, dass diese Partikel es den Organismen ermöglicht haben könnten, winzige Schwankungen sowohl in der Richtung als auch in der Intensität des Erdmagnetfelds wahrzunehmen. Dadurch konnten sie sich verorten und über den Ozean navigieren. Die neue Methode eignet sich auch, um zu testen, ob bestimmte Eisenoxidpartikel in Marsproben tatsächlich biogenen Ursprungs sind.
  • Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Science Highlight
    16.10.2025
    Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Mit Infrarot-Vibrationsspektroskopie an BESSY II lassen sich hochaufgelöste Karten von Molekülen in lebenden Zellen und Zellorganellen in ihrer natürlichen wässrigen Umgebung erstellen, zeigt eine neue Studie von einem Team aus HZB und Humboldt-Universität zu Berlin. Die Nano-IR-Spektroskopie mit SNOM an der IRIS-Beamline eignet sich, um winzige biologische Proben zu untersuchen und Infrarotbilder der Molekülschwingungen mit Nanometer-Auflösung zu erzeugen. Es ist sogar möglich, 3D-Informationen, also Infrarot-Tomogramme, aufzuzeichnen. Um das Verfahren zu testen, hat das Team Fibroblasten auf einer hochtransparenten SiC-Membran gezüchtet und in vivo untersucht. Die Methode ermöglicht neue Einblicke in die Zellbiologie.