Wasser ist homogener als gedacht

Mit Röntgenlicht (blau) werden Wassermoleküle angeregt. Aus dem abgestrahlten Licht (lila) lassen sich Informationen über Wasserstoffbrücken gewinnen.

Mit Röntgenlicht (blau) werden Wassermoleküle angeregt. Aus dem abgestrahlten Licht (lila) lassen sich Informationen über Wasserstoffbrücken gewinnen. © T. Splettstoesser/HZB

Um die bekannten Anomalien in Wasser zu erklären, gehen manche Forscher davon aus, dass Wasser auch bei Umgebungsbedingungen aus einer Mischung von zwei Phasen besteht. Neue röntgenspektroskopische Analysen an BESSY II, der ESRF und der Swiss Light Source zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Bei Raumtemperatur und normalem Druck bilden die Wassermoleküle ein fluktuierendes Netz mit durchschnittlich je 1,74 ± 2.1%  Donator- und Akzeptor-Wasserstoffbrückenbindungen pro Molekül, die eine tetrahedrische Koordination zwischen nächsten Nachbarn ermöglichen.

Wasser ist das „Element“ des Lebens, die meisten biologischen Prozesse sind auf Wasser angewiesen. Dennoch gibt Wasser noch immer Rätsel auf. So dehnt es sich aus, wenn es gefriert und zeigt weitere Anomalien, wenn sich Temperatur oder Druck verändern. Das sogenannte Phasendiagramm von Wasser ist relativ komplex. Wilhelm Conrad Röntgen hatte Ende des 19.ten Jahrhunderts eine Erklärung dafür vorgeschlagen: Flüssiges Wasser könnte aus einer Mischung von zwei unterschiedlichen Phasen bestehen, in einer befänden sich die Wassermoleküle in einem geordneten Zustand so wie im Eis, in der anderen Phase dagegen wären die Wassermoleküle völlig ungebunden wie in einem Gas. Röntgen selbst hatte Zweifel an diesem „Mischungsmodell“. Denn es ist deutlich komplizierter als das „Kontinuumsmodell“, das davon ausgeht, dass sich in flüssigem Zustand die Wassermoleküle über Wasserstoffbrückenbindungen lose und ungeordnet vernetzen. Doch tatsächlich schienen in den letzten Jahren neue Röntgenstudien eher das Mischungsmodell zu stützen.

Messungen an drei Lichtquellen

Nun hat ein internationales Team um Prof. Alexander Föhlisch (HZB und Universität Potsdam) an der Synchrotronlichtquelle BESSY II sowie an der European Synchrotron Radiation Facility ESRF und der Swiss Light Source Wasserproben mit modernsten röntgenspektroskopischen Methoden untersucht. Die Messdaten zeigen, dass bei Umgebungsbedingungen Wassermoleküle über Wasserstoffbrückenbindungen mit ihren nächsten Nachbarn nahezu tetahedral koordiniert sind. Pro Molekül gibt es jeweils 1,74 ± 2,1% Akzeptor- und  Donator-H-Bindungen, also insgesamt fast vier Bindungen, was eine tetrahedrale Koordination ermöglicht.

Kontinuumsmodell passt

Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler aus den Daten auch ermitteln, wie sich Wassermoleküle mit ihren übernächsten Nachbarn koordinieren. Die Röntgenspektren spiegeln auch die unterschiedliche Dynamik von verschiedenen Anregungsprozessen, so findet die kurzzeitige Bildung oder Lösung von Wasserstoffbrücken tausendmal schneller statt als eine Anregung der Wassermoleküle selbst. Die Ergebnisse zeigen, dass das Kontinuumsmodell Wasser bei Umgebungsbedingungen angemessen beschreibt.

Die Studie geht auf weitere offene Fragen im Phasendiagramm von Wasser ein, insbesondere zur möglichen Existenz eines zweiten kritischen Punktes im sogenannten "Niemandsland" des unterkühlten Wassers.


Die Studie wurde in den Proceedings der National Academy of Science, PNAS 2019, veröffentlicht: Compatibility of quantitative X-ray spectroscopy with continuous distribution models of water at ambient conditions. Johannes Niskanen, Mattis Fondell, Sebastian Eckert, Raphael M. Jay, Annette Pietzsch, Vinicius Vaz da Cruz, Alexander Föhlisch

 DOI:10.1073/pnas.1815701116

 

 

 

 

 

 

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Grüne Herstellung von Hybridmaterialien als hochempfindliche Röntgendetektoren
    Science Highlight
    08.05.2025
    Grüne Herstellung von Hybridmaterialien als hochempfindliche Röntgendetektoren
    Neue organisch-anorganische Hybridmaterialien auf Basis von Wismut sind hervorragend als Röntgendetektoren geeignet, sie sind deutlich empfindlicher als handelsübliche Röntgendetektoren und langzeitstabil. Darüber hinaus können sie ohne Lösungsmittel durch Kugelmahlen hergestellt werden, einem umweltfreundlichen Syntheseverfahren, das auch in der Industrie genutzt wird. Empfindlichere Detektoren würden die Strahlenbelastung bei Röntgenuntersuchungen erheblich reduzieren.

  • Energiespeicher: BAM, HZB und HU Berlin planen gemeinsames Berlin Battery Lab
    Nachricht
    07.05.2025
    Energiespeicher: BAM, HZB und HU Berlin planen gemeinsames Berlin Battery Lab
    Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und die Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) haben ein Memorandum of Understanding (MoU) zur Gründung des Berlin Battery Lab unterzeichnet. Das Labor wird die Expertise der drei Institutionen bündeln, um die Entwicklung nachhaltiger Batterietechnologien voranzutreiben. Die gemeinsame Forschungsinfrastruktur soll auch der Industrie für wegweisende Projekte in diesem Bereich offenstehen.
  • BESSY II: Einblick in ultraschnelle Spinprozesse mit Femtoslicing
    Science Highlight
    05.05.2025
    BESSY II: Einblick in ultraschnelle Spinprozesse mit Femtoslicing
    Einem internationalen Team ist es an BESSY II erstmals gelungen, einen besonders schnellen Prozess im Inneren eines magnetischen Schichtsystems, eines Spinventils, aufzuklären: An der Femtoslicing-Beamline von BESSY II konnten sie die ultraschnelle Entmagnetisierung durch spinpolarisierte Stromimpulse beobachten. Die Ergebnisse helfen bei der Entwicklung von spintronischen Bauelementen für die schnellere und energieeffizientere Verarbeitung und Speicherung von Information. An der Zusammenarbeit waren Teams der Universität Straßburg, des HZB, der Universität Uppsala sowie weiterer Universitäten beteiligt.