Laserinduzierte Spindynamik in Ferrimagneten: Wohin geht der Drehimpuls?

Experimente an der Femtoslicing-Anlage von BESSY II zeigten den ultraschnellen Drehimpulsfluss von Gd- und Fe-Spins zum Gitter während der Entmagnetisierung der GdFe-Legierung.

Experimente an der Femtoslicing-Anlage von BESSY II zeigten den ultraschnellen Drehimpulsfluss von Gd- und Fe-Spins zum Gitter während der Entmagnetisierung der GdFe-Legierung. © R. Abrudan/HZB

Durch intensive Laserpulse kann die Magnetisierung eines Materials sehr schnell manipuliert werden. Magnetisierung wiederum ist fundamental mit dem Drehimpuls der Elektronen im Material verbunden. Ein Forscherteam des Max-Born-Instituts für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) konnte nun an BESSY II den Drehimpulstransfer in einer ferrimagnetischen Eisen-Gadolinium-Legierung im Detail verfolgen. Dabei gelang es ihnen, am Femtoslicing-Experiment bei BESSY II die ultraschnelle optische Entmagnetisierung zu vermessen und deren grundlegende Prozesse und Geschwindigkeitsgrenzen zu verstehen. Die Forschungsergebnisse wurden in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Die Belichtung mit einem ultrakurzen Laserpuls erlaubt es, ein Material sehr schnell zu entmagnetisieren - für die prototypischen Ferromagnete Eisen, Kobalt und Nickel zum Beispiel wird die Magnetisierung innerhalb von etwa einer Pikosekunde (10-12 s) nach dem Auftreffen des Laserpulses auf das Material ausgelöscht. Daraus ergibt sich die Frage, über welche Kanäle der mit der Magnetisierung verbundene Drehimpuls während der kurzen verfügbaren Zeit auf andere Reservoire übertragen wird.

Nun konnte eine internationale Kooperation von Forschenden bei BESSY II den Drehimpulstransfer in einer Probe aus Eisen-Gadolinium erstmals im Detail verfolgen. An der Studie unter Federführung von Dr. Ilie Radu (MBI) und Prof. Stefan Eisebitt (TU Berlin, MBI) haben auch Teams des HZB sowie der Nihon University in Japan mitgewirkt.

Experiment an der Femtoslicing Beamline

Die Eisen-Gadolinium-Probe ist ferrimagnetisch: benachbarte Eisen (Fe)- und Gadolinium (Gd)-Atome sind in entgegengesetzter Richtung magnetisiert. Die Proben wurden zunächst mit Laserstrahlung angeregt und dann mit ultrakurzen, zirkular polarisierten Röntgenpulsen an der Femtoslicing-Beamline von BESSY II untersucht. Dadurch ließ sich die unterschiedliche magnetfeldabhängige Absorption zirkular polarisierter Röntgenpulse durch die Fe- und Gd-Atome als Funktion der Zeit beobachten.

Dieser Ansatz ermöglicht es, die ultraschnelle Entmagnetisierung sowohl beim Element Eisen als auch beim Gadolinium jeweils einzeln zu verfolgen. Darüber hinaus ist es sogar möglich, bei der Analyse der jeweiligen Absorptionsspektren zwischen dem in der Bahnbewegung und im Spin der Elektronen gespeicherten Drehimpuls zu unterscheiden.

Mit diesem detaillierten "Röntgenbild" fanden die Wissenschaftler heraus, dass während des Entmagnetisierungsprozesses der GdFe-Legierung der Drehimpuls von Gd- und Fe-Spins zu den Orbitalmomenten und schließlich zum Gitter fließt. Und zwar auf einer Zeitskala von weniger als einer Picosekunde.

Schnellere Datenspeicherung

Da kurze Laserpulse auch zum permanenten Umschalten der Magnetisierung und damit zum Schreiben von Bits für die magnetische Datenspeicherung verwendet werden können, ist der Einblick in die Dynamik dieser grundlegenden Mechanismen von großer Bedeutung, um neue Ansätze zu entwickeln, die es ermöglichen, Daten viel schneller als heute auf Massenspeichermedien zu schreiben.

 

MBI/HZB


Das könnte Sie auch interessieren

  • Neue Option, um Eigenschaften von Seltenerd-Elementen zu kontrollieren
    Science Highlight
    17.07.2024
    Neue Option, um Eigenschaften von Seltenerd-Elementen zu kontrollieren
    Die besonderen Eigenschaften von magnetischen Materialien aus der Gruppe der Seltenen Erden gehen auf Elektronen in der 4f-Schale zurück. Bislang galten die magnetischen Eigenschaften der 4f-Elektronen als kaum kontrollierbar. Nun hat ein Team von HZB, der Freien Universität Berlin und weiteren Einrichtungen erstmals gezeigt, dass durch Laserpulse 4f-Elektronen beeinflusst – und damit deren magnetische Eigenschaften verändert werden können. Die Entdeckung, die durch Experimente am EuXFEL und FLASH gelang, weist einen neuen Weg zu Datenspeichern mit Seltenen Erden.
  • BESSY II zeigt, wie sich Feststoffbatterien zersetzen
    Science Highlight
    09.07.2024
    BESSY II zeigt, wie sich Feststoffbatterien zersetzen
    Feststoffbatterien können mehr Energie speichern und sind sicherer als Batterien mit flüssigen Elektrolyten. Allerdings halten sie nicht so lange und ihre Kapazität nimmt mit jedem Ladezyklus ab. Doch das muss nicht so bleiben: Forscherinnen und Forscher sind den Ursachen bereits auf der Spur. In der Fachzeitschrift ACS Energy Letters stellt ein Team des HZB und der Justus-Liebig-Universität Gießen eine neue Methode vor, um elektrochemische Reaktionen während des Betriebs einer Feststoffbatterie mit Photoelektronenspektroskopie an BESSY II genau zu verfolgen. Die Ergebnisse helfen, Batteriematerialien und -design zu verbessern.

  • HZB-Magazin lichtblick - die neue Ausgabe ist da!
    Nachricht
    09.07.2024
    HZB-Magazin lichtblick - die neue Ausgabe ist da!
    Auf der Suche nach dem perfekten Katalysator bekommt HZB-Forscher Robert Seidel nun Rückenwind – durch einen hochkarätigen ERC Consolidator Grant. In der Titelgeschichte stellen wir vor, warum die Röntgenquelle BESSY II für sein Vorhaben eine wichtige Rolle spielt.