Tomographie-Weltrekord: Zuschauen, wie Metall aufgeschäumt wird

Der Messtisch rotiert extrem präzise und mehrere hundert Male pro Sekunde um seine Achse.

Der Messtisch rotiert extrem präzise und mehrere hundert Male pro Sekunde um seine Achse. © HZB

Mit einem am HZB entwickelten Rotationstisch hat ein internationales Forscher-Team an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz, SLS, einen neuen Rekord erreicht: Mit 208 dreidimensionalen Röntgenaufnahmen (Tomographien) pro Sekunde konnten sie die dynamischen Prozesse beim Aufschäumen von flüssigem Aluminium dokumentieren. Im Fachjournal Nature Communications wird die Methode vorgestellt.

Der am HZB konstruierte Präzisions-Messtisch rotiert extrem präzise und mehrere hundert Male pro Sekunde um seine Achse. Das HZB-Team um Dr. Francisco García-Moreno kombinierte den Messtisch mit einer hochauflösenden Optik und erreichte damit in 2018 an der BESSY II-Beamline EDDI einen ersten Weltrekord mit gut 25 Tomographien pro Sekunde.

Nun hat das Team gemeinsam mit der Gruppe um Prof. Marco Stampanoni aus dem Paul-Scherrer-Institut, PSI, an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz, SLS, einen neuen Weltrekord erzielt. Dafür bauten sie den Rotationstisch an der TOMCAT Strahllinie der SLS auf. Diese verfügt über eine Hochgeschwindigkeitskamera mit extrem hoher Datentransferrate, die eigens für solch schnelle Messungen entwickelt wurde. „Mehr als 200 Tomographien pro Sekunde sind nun möglich und das über Messzeiten von mehreren Minuten“, sagt Garcia-Moreno. Für diese neue bildgebende Methode wurde der Begriff Tomoskopie geprägt.

Tomoskopie: neues bildgebendes Verfahren

Dr. Christian Schlepütz vom PSI betont: „Bei jeder Tomoskopiemessung werden riesige Datenmengen erzeugt, die laufend mit einer sehr hohen Datenrate von acht Gigabyte pro Sekunde gespeichert werden müssen. Nur dadurch lassen sich die extrem schnellen Vorgänge im Material über längere Zeiträume beobachten“.

Im Anschluss an die Experimente müssen auf den Computerclustern am PSI tausende einzelner Tomographien aus den Messdaten errechnet werden, und die Bilder werden automatisch weiter verarbeitet, was quantitative Analysen ermöglicht. Um die mehrere Terabyte großen Datenmengen pro Experiment zu verarbeiten, hat Dr. Paul Kamm aus dem HZB einen eigenen Workflow programmiert.

Die Kooperationspartner nutzten die neue bildgebende Methode, um dynamische Prozesse beim Aufschäumen von flüssigem Aluminium im Detail und mit hoher Zeitauflösung zu beobachten. Denn auf diese Weise lassen sich Prozesse bei der Schaumbildung in metallischen Schmelzen untersuchen und verstehen. Dies ist wichtig, um im später ausgehärteten Schaum eine optimale Materialverteilung und gleichmäßige Porenbildung zu erreichen, so dass er in Leichtbauanwendungen einsetzbar ist.

Metallschäume für den Leichtbau

Metallische Schäume sind eine wichtige Materialklasse für den Leichtbau, und sie sind ein dankbares Untersuchungsobjekt für die nun entwickelte Tomoskopie, da flüssiges Metall weitgehend unempfindlich gegenüber Strahlenschäden ist und die erreichten Aufnahmegeschwindigkeiten sehr gut zu den Phänomenen beim Aufschäumen passen.

Die Computertomoskopie könnte auch interessante Einblicke in viele weitere Prozesse ermöglichen: zum Beispiel ließe sich damit untersuchen, wie sich Materialien beim Laserschweißen verändern oder was passiert, wenn sich Batterien etwa durch Kurzschluss überhitzen (thermal runaway).

Die Forscher an HZB und PSI arbeiten nun daran, die Geschwindigkeit weiter zu erhöhen, um die Zeitauflösung der Messungen weiter zu steigern.

Nature communications (2019): Using X-ray tomoscopy to explore the dynamics of foaming metal; Francisco García-Moreno, Paul Hans Kamm, Tillmann Robert Neu, Felix Bülk, Rajmund Mokso, Christian Matthias Schlepütz, Marco Stampanoni, John Banhart

HZB, TU Berlin, MAX IV, PSI, ETH Zürich

DOI: 10.1038/s41467-019-11521-1

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Science Highlight
    21.10.2025
    BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Erstmals ist es einem Team an BESSY II gelungen, experimentell eindimensionale elektronische Eigenschaften in einem Material nachzuweisen. Die Proben bestanden aus kurzen Ketten aus Phosphoratomen, die sich auf einem Silbersubstrat selbst organisiert in bestimmten Winkeln bilden. Durch eine raffinierte Auswertung gelang es, die Beiträge von unterschiedlich ausgerichteten Ketten voneinander zu trennen und zu zeigen, dass die elektronischen Eigenschaften tatsächlich einen eindimensionalen Charakter besitzen. Berechnungen zeigten darüber hinaus, dass ein spannender Phasenübergang zu erwarten ist. Während das Material aus einzelnen Ketten halbleitend ist, wäre eine sehr dichte Kettenstruktur metallisch.
  • Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Science Highlight
    20.10.2025
    Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Vor Jahrmillionen produzierten einige Meeresorganismen mysteriöse Magnetpartikel von ungewöhnlicher Größe, die heute als Fossilien in Sedimenten zu finden sind. Nun ist es einem internationalen Team gelungen, die magnetischen Domänen auf einem dieser „Riesenmagnetfossilien” mit einer raffinierten Methode an der Diamond-Röntgenquelle zu kartieren. Ihre Analyse zeigt, dass diese Partikel es den Organismen ermöglicht haben könnten, winzige Schwankungen sowohl in der Richtung als auch in der Intensität des Erdmagnetfelds wahrzunehmen. Dadurch konnten sie sich verorten und über den Ozean navigieren. Die neue Methode eignet sich auch, um zu testen, ob bestimmte Eisenoxidpartikel in Marsproben tatsächlich biogenen Ursprungs sind.
  • Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Science Highlight
    16.10.2025
    Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Mit Infrarot-Vibrationsspektroskopie an BESSY II lassen sich hochaufgelöste Karten von Molekülen in lebenden Zellen und Zellorganellen in ihrer natürlichen wässrigen Umgebung erstellen, zeigt eine neue Studie von einem Team aus HZB und Humboldt-Universität zu Berlin. Die Nano-IR-Spektroskopie mit SNOM an der IRIS-Beamline eignet sich, um winzige biologische Proben zu untersuchen und Infrarotbilder der Molekülschwingungen mit Nanometer-Auflösung zu erzeugen. Es ist sogar möglich, 3D-Informationen, also Infrarot-Tomogramme, aufzuzeichnen. Um das Verfahren zu testen, hat das Team Fibroblasten auf einer hochtransparenten SiC-Membran gezüchtet und in vivo untersucht. Die Methode ermöglicht neue Einblicke in die Zellbiologie.