BESSY II: Millionenfach schnellerer Wechsel von zirkular polarisierten Lichtpulsen

Dieses Bild zeigt ein Röntgenbild des Elektronenstrahls im TRIB-Modus, bei dem zwei Bahnen koexistieren: die reguläre Bahn und die zweite, die sich um diese Bahn windet und sich erst nach drei Umdrehungen schließt.

Dieses Bild zeigt ein Röntgenbild des Elektronenstrahls im TRIB-Modus, bei dem zwei Bahnen koexistieren: die reguläre Bahn und die zweite, die sich um diese Bahn windet und sich erst nach drei Umdrehungen schließt. © F. Armborst/K. Holldack

</p> <p>Elektronen auf unterschiedlichen Bahnen innerhalb der drei Umdrehungen (blau, rot und gr&uuml;n) durchlaufen unterschiedliche Magnetfeldanordnungen und senden dabei unterschiedlich polarisierte R&ouml;ntgenimpulse aus. Im Vergleich dazu die regul&auml;re Umlaufbahn (schwarz).

Elektronen auf unterschiedlichen Bahnen innerhalb der drei Umdrehungen (blau, rot und grün) durchlaufen unterschiedliche Magnetfeldanordnungen und senden dabei unterschiedlich polarisierte Röntgenimpulse aus. Im Vergleich dazu die reguläre Umlaufbahn (schwarz). © F. Armborst/K. Holldack

Was bringt eine zweite Spur für BESSY II?

02:22

Ein Team aus Beschleunigerphysikern, Undulatorexperten und Experimentatoren hat am Speicherring BESSY II gezeigt, wie sich die Händigkeit (Helizität) von zirkular polarisierter Synchrotronstrahlung schneller umschalten lässt – und zwar bis zu einer Million Mal schneller als bisher. Sie nutzten dazu einen am HZB entwickelten elliptischen Doppel-Undulator und betrieben den Speicherring im sogenannten Two-Orbit-Modus. Dies ist eine besondere Betriebsart, die erst vor kurzem an BESSY II entwickelt wurde und die Basis für die schnelle Umschaltung liefert. Der ultraschnelle Wechsel der Lichthelizität ist vor allem für Untersuchungen von Prozessen in magnetischen Materialien interessant und wird schon seit langem von einer großen Nutzergemeinde erwartet.

In Synchrotronstrahlungsquellen wie BESSY II kreisen Elektronenpakete mit nahezu Lichtgeschwindigkeit im Speicherring. Dabei werden sie durch periodische Magnetstrukturen (Undulatoren) dazu gebracht extrem helle Lichtpulse mit besonderen Eigenschaften abzugeben.

Experimente mit polarisierten Lichtpulsen

Eine dieser Besonderheiten ist die Polarisation: Mit speziellen elliptischen Undulatoren können linear aber auch zirkular polarisierte Lichtpulse erzeugt werden. Magnetische Strukturen in Materialien reagieren unterschiedlich auf zirkular polarisiertes Licht: Je nachdem, ob die Händigkeit (Helizität) der Röntgenpulse rechts- oder linksdrehend ist absorbieren sie diese Strahlung mehr oder weniger. Dies nutzt man seit den 80er Jahren in sogenannten XMCD-Experimenten (X-ray Circular Dichroism) aus, um statische aber auch dynamische Veränderungen in magnetischen Materialien zu untersuchen oder auch magnetische  Nanostrukturen auf Oberflächen abzubilden.

Prozesse in magnetischen Materialien sichtbar machen

Insbesondere für solche abbildenden Verfahren wünscht sich die Nutzergemeinde an Synchrotronstrahlungsquellen seit langem die Möglichkeit die Helizität des Lichts schnell umzuschalten, vor Allem weil sich daraus direkt ein magnetischer Bildkontrast ergibt, der z.B. Bits in magnetischen Datenspeichern sichtbar und quantifizierbar macht.

In den für BESSY II typischen elliptischen Undulatoren (APPLE II), die von der Gruppe um Johannes Bahrdt entwickelt wurden, wird die Helizität des Lichtes durch eine mechanische Verschiebung von meterlangen Anordnungen von starken Permanentmagneten geschaltet, ein Vorgang, der teilweise Minuten dauert.

Zwei Orbits nutzen

Die neue Methode basiert dagegen auf der Kombination solcher Undulatoren mit einem speziellen Orbit des Elektronenstrahls im Speicherring - der durch die sogenannten TRIBs (transverse resonance island buckets) erzeugt wird. Die TRIBs hatte der HZB-Beschleunigerexperte Dr. Paul Goslawski erstmals an BESSY II experimentell untersucht. Während der Weg der Elektronen im Speicherring sich normalerweise nach einem Umlauf schließt, laufen im TRIBs-Modus die Elektronen bei aufeinanderfolgenden Umläufen auf verschiedenen Bahnen und können so Röntgenpulse von jeweils anderen Magnetfeldanordnungen emittieren. Diese Idee geht auf Dr. Karsten Holldack und Dr. Johannes Bahrdt zurück.

Doppelundulator im TRIBs-Modus

Dass sie tatsächlich funktioniert, konnten Holldack und Bahrdt kürzlich mit Hilfe des vorhandenen Doppelundulators UE56-2 bei BESSY II im Rahmen eines Pilotexperimentes: zeigen: Beim Durchgang durch eine speziell vorbereitete Magnetanordnung dieses Doppel-Undulators gaben in der Tat die Elektronenpakete aus unterschiedlichen Bahnen im TRIBs-Modus Röntgenphotonen mit derselben Wellenlänge aber entgegengesetzter zirkularer Polarisation ab.

Helizität wechselt Millionen Mal pro Sekunde

Dadurch können nun prinzipiell XMCD-Signale von magnetischen Proben im Zeitabstand von nur einer Mikrosekunde mit abwechselnd rechts- und dann linkszirkular polarisierten Lichtpulsen untersucht werden. Im Pilotexperiment wurden die XMCD-Signale von einer magnetischen Probe (Nickel in Permalloy) von Umlauf zu Umlauf detektiert und der schnelle (MHz) Helizitätswechsel konnte eindeutig nachgewiesen werden.

Ausblick: Noch höhere Zeitauflösung und BESSY III

Mit neuen, für diesen Zweck maßgeschneiderten, Undulatoren könnten bei BESSY II im TRIBs-Modus spezielle Beamlines mit ultraschnellem Helizitätswechsel angeboten werden. Perspektisch sind sogar Wechsel im Nanosekundenabstand denkbar. „Dass die TRIBs-Entwicklung mit den Two-Orbits jetzt auch noch ganz neue Experimente an BESSY II ermöglicht, freut uns sehr“, sagt Goslawski. Dies wäre aber auch eine attraktive Option für BESSY III. Die Ergebnisse wurden nun bei Nature Communications Physics veröffentlicht.

Publiziert in Nature Communications Physics (2020): Flipping helicity of X-rays from an undulator at unprecedented speed

Karsten Holldack, Christian Schüßler-Langeheine, Paul Goslawski, Niko Pontius, Torsten Kachel, Felix Armborst, Markus Ries, Andreas Schälicke, Michael Scheer, Winfried Frentrup and Johannes Bahrdt

DOI : 10.1038/s42005-020-0331-5

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • KI-Einsatz in der Chemie: Studie zeigt Stärken und Schwächen
    Nachricht
    04.06.2025
    KI-Einsatz in der Chemie: Studie zeigt Stärken und Schwächen
    Wie gut ist künstliche Intelligenz im Vergleich zu menschlichen Fachleuten? Ein Forschungsteam des HIPOLE Jena hat diese Frage im Bereich der Chemie untersucht: Mithilfe eines neu entwickelten Prüfverfahrens namens „ChemBench“ verglichen die Forschenden die Leistung moderner Sprachmodelle wie GPT-4 mit der von erfahrenen Chemikerinnen und Chemikern. 

  • Grüner Wasserstoff: MXene steigert die Wirkung von Katalysatoren
    Science Highlight
    29.05.2025
    Grüner Wasserstoff: MXene steigert die Wirkung von Katalysatoren
    An den enorm großen inneren Oberflächen von MXenen können sich katalytisch aktive Partikel anheften. Mit diesem raffinierten Trick lässt sich ein preiswerter und viel effizienterer Katalysator für die Sauerstoffentwicklungsreaktion realisieren, die bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff bislang als Engpass gilt. Dies hat eine internationale Forschergruppe um die HZB-Chemikerin Michelle Browne nun in einer aufwendigen Untersuchung nachgewiesen. Die Studie ist in Advanced Functional Materials veröffentlicht.
  • Perowskit-Forschung: Hybridmaterialien als hochempfindliche Röntgendetektoren
    Science Highlight
    08.05.2025
    Perowskit-Forschung: Hybridmaterialien als hochempfindliche Röntgendetektoren
    Neue organisch-anorganische Hybridmaterialien auf Basis von Wismut sind hervorragend als Röntgendetektoren geeignet, sie sind deutlich empfindlicher als handelsübliche Röntgendetektoren und langzeitstabil. Darüber hinaus können sie ohne Lösungsmittel durch Kugelmahlen hergestellt werden, einem umweltfreundlichen Syntheseverfahren, das auch in der Industrie genutzt wird. Empfindlichere Detektoren würden die Strahlenbelastung bei Röntgenuntersuchungen erheblich reduzieren.