Katalysatoren: Effiziente Wasserstoffgewinnung mit Struktur

Perowskit-Oxide zeichnen sich durch die Summenformel ABO<sub>3</sub> aus, wobei die Elemente A (gr&uuml;n) und B (blau) auf bestimmten Gitterpl&auml;tzen sitzen und von Sauerstoff-Atomen (rot) umgeben sind.

Perowskit-Oxide zeichnen sich durch die Summenformel ABO3 aus, wobei die Elemente A (grün) und B (blau) auf bestimmten Gitterplätzen sitzen und von Sauerstoff-Atomen (rot) umgeben sind.

Regenerativ erzeugter Wasserstoff gilt als ökologischer Rohstoff der Zukunft. Um ihn durch Elektrolyse effizient aus Wasser herzustellen, setzt die Forschung heute auch auf Perowskit-Oxide. Das Fachmagazin Journal of Physics: Energy hat Dr. Marcel Risch vom Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) eingeladen, den aktuellen Stand der Forschung zu skizzieren.

Industrierohstoffe und Energieträger nachhaltig zu erzeugen, ist eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Ein aussichtsreicher Kandidat dafür ist Wasserstoff. Denn das leichteste aller Elemente kann nicht nur in Brennstoffzellen in elektrische Energie gewandelt werden, als Brenngas dienen oder zu transport- und lagerfähigen synthetischen Treibstoffen verarbeitet werden. Es reduziert auch Erze zu hochwertigem Metall und ist die Basis für chemische Grundstoffe oder Düngemittel.

Wasserstoff aus Wasser

„Die einzig wirklich nachhaltige Quelle für Wasserstoff ist Wasser“, sagt Marcel Risch. Das lässt sich durch elektrischen Strom in seine Bestandteile aufspalten. Dazu erhöhen Säuren oder Laugen die Leitfähigkeit, während zwei Elektroden die elektrische Energie zuführen. An einer der beiden steigt dann gasförmiger Wasserstoff auf, an der anderen Elektrode bildet sich Sauerstoff. „Wie genau der Wasserstoff entsteht, ist wissenschaftlich gut verstanden und die Materialien dafür wurden auch schon optimiert“, erklärt Risch. „Die Herausforderung ist die andere Reaktion, die bei der Wasserspaltung immer ablaufen muss: Die Sauerstoffentwicklung. Die ist weniger gut verstanden.“

Die inneren Werte zählen

Und genau hier steckt großes Potenzial. Denn wenn es gelingt, diesen Teil der Elektrolyse effizienter zu machen und die Energieverluste an der Elektrode zu minimieren, würde sich der Gesamtwirkungsgrad erhöhen. Und damit auch die Wirtschaftlichkeit.

Katalysatoren aus Perowskit-Oxiden

Ein Ansatz, dieses Potenzial zu erschließen, sind spezielle Katalysatoren im Elektrodenmaterial. Neben teuren Edelmetallen wie Iridium haben sich Perowskit-Oxide als eine aussichtsreiche Materialklasse entpuppt. Sporadisch experimentiert wurde damit bereits in den 1970er und 1980er Jahren. In den Fokus der Wissenschaft gerieten sie aber erst 2011. Namensgeber dieser Materialklasse ist ein recht häufig vorkommendes Mineral, das aus Kalzium, Titan und Sauerstoff besteht. Interessant für Wissenschaft und Technik wird es durch seinen inneren Aufbau. „Alle Perowskit-Oxide haben die gleiche charakteristische atomare Anordnung“, erklärt Risch, der am HZB ebenfalls Perowskit-Oxide als Katalysatoren für die Elektrolyse erforscht. „Das hat den Vorteil, dass wir sehr einfach chemische Elemente austauschen können, ohne die Struktur selbst zu verändern.“

Unendliche Varianten

Mit unzähligen Möglichkeiten. So ersetzen Forschungsteams bei einer Probe beispielsweise einen Teil des Titans durch Kobalt und in einer anderen Probe durch Eisen. Anschließend vergleichen sie den Wirkungsgrad beider Perowskite bei der Elektrolyse. „Das macht die Experimente viel besser vergleichbar“, sagt Risch. „Denn wir können einen ganz bestimmten Aspekt der Chemie anpassen, während sich alles andere oft nur marginal ändert.“ Ein Element lässt sich auch durch mehrere andere Elemente ersetzen und das sogar in unterschiedlichen Mengenverhältnissen und Kombinationen. „Bei dem Material mit den bisher besten katalytischen Eigenschaften ist Kalzium durch Barium und Strontium ersetzt. Und anstelle des Titans wurden Kobalt und Eisen in die Perowskitstruktur eingebaut“, erzählt der Forscher.

Maßzahlen für die  gezielte Suche

Die Anzahl theoretisch möglicher Materialien ist also sehr hoch. Die Suche nach der optimalen Element-Kombination könnte schnell zu jener nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen werden. Hier knüpft Risch mit seiner Übersichtsarbeit zu hochgeordneten Perowskitschichten an. Er präsentiert nicht nur den aktuellen Stand der Forschung. Er betrachtet auch zwei Maßzahlen kritisch, die für die Aktivität eines Katalysators vorgeschlagen wurden. „Bei unserem Literaturvergleich haben wir herausgefunden, dass eine oft verwendete Maßzahl für Perowskitschichten als Katalysatoren leider wenig geeignet ist“, fasst Risch zusammen. „Dafür konnten wir aber die Aussagekraft einer anderen vorgeschlagenen Maßzahl bestätigen.“ Die Erkenntnis ist für die weitere Suche nach dem optimalen Katalysator nicht unerheblich. Denn mit einer Maßzahl an der Hand ist es einfacher, gezielt zu optimieren.

Wichtig ist Risch auch eine zweite Erkenntnis, zu der er bei seinen Forschungen kam: „Wir müssen bei der Interpretation der Katalyseergebnisse vorsichtig sein“, sagt er. „Denn manche Perowskite sind Halbleiter und dabei besteht die Gefahr, dass man Halbleitereffekte der Katalyse zuordnet.“ Einfach gesagt: Es muss nicht an mangelnden katalytischen Eigenschaften liegen, wenn ein Material ein schlechter Katalysator ist. Manchmal sorgen Halbleitereffekte dafür, dass die Elektronen nicht dahin kommen, wo sie gebraucht werden. Dagegen haben die Materialforscher aber einige Tricks auf Lager, sodass sie diese Materialien leicht wieder zurück ins Rennen und die nachhaltige Produktion von Wasserstoff vielleicht einen entscheidenden Schritt nach vorn bringen können.

Zur Person:

Dr. Marcel Risch hat den ERC Grant ME4OER eingeworben und leitet eine eigene Gruppe am HZB. Er untersucht mit seinem Team den Mechanismus der elektrolytischen Sauerstoffentwicklungsreaktion durch Wasserspaltung und wie sich die Katalyse dieser Reaktion sich optimieren lässt.

 

Zur Publikation:

Der Übersichtsartikel, den Marcel Risch mit seinem Doktoranden Denis Antipin verfasst hat, ist nun im Fachmagazin Journal of Physics: Energy im Sonderband „Focus on Ion-related Properties of Oxides at the Nanoscale: From Fundamentals to Applications“ erschienen.

 

 

 

Kai Dürfeld

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Berliner Wissenschaftspreis geht an Philipp Adelhelm
    Nachricht
    24.07.2025
    Berliner Wissenschaftspreis geht an Philipp Adelhelm
    Der Batterieforscher Prof. Dr. Philipp Adelhelm wird mit dem Berliner Wissenschaftspreis 2024 ausgezeichnet.  Er ist Professor am Institut für Chemie der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und leitet eine gemeinsame Forschungsgruppe der HU und des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB). Der Materialwissenschaftler und Elektrochemiker forscht zur Entwicklung nachhaltiger Batterien, die eine Schlüsselrolle für das Gelingen der Energiewende spielen. International zählt er zu den führenden Expert*innen auf dem Gebiet der Natrium-Ionen-Batterien.
  • Schriftrollen aus buddhistischem Schrein an BESSY II virtuell entrollt
    Science Highlight
    23.07.2025
    Schriftrollen aus buddhistischem Schrein an BESSY II virtuell entrollt
    In der mongolischen Sammlung des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin befindet sich ein einzigartiger Gungervaa-Schrein. Der Schrein enthält auch drei kleine Röllchen aus eng gewickelten langen Streifen, die in Seide gewickelt und verklebt sind. Ein Team am HZB konnte die Schrift auf den Streifen teilweise sichtbar machen, ohne die Röllchen durch Aufwickeln zu beschädigen. Mit 3D-Röntgentomographie erstellten sie eine Datenkopie des Röllchens und verwendeten im Anschluss ein mathematisches Verfahren, um den Streifen virtuell zu entrollen. Das Verfahren wird auch in der Batterieforschung angewandt.
  • Langzeittest zeigt: Effizienz von Perowskit-Zellen schwankt mit der Jahreszeit
    Science Highlight
    21.07.2025
    Langzeittest zeigt: Effizienz von Perowskit-Zellen schwankt mit der Jahreszeit
    Auf dem Dach eines Forschungsgebäudes am Campus Adlershof läuft ein einzigartiger Langzeitversuch: Die unterschiedlichsten Solarzellen sind dort über Jahre Wind und Wetter ausgesetzt und werden dabei vermessen. Darunter sind auch Perowskit-Solarzellen. Sie zeichnen sich durch hohe Effizienz zu geringen Herstellungskosten aus. Das Team um Dr. Carolin Ulbrich und Dr. Mark Khenkin hat Messdaten aus vier Jahren ausgewertet und in der Fachzeitschrift Advanced Energy Materials vorgestellt. Dies ist die bislang längste Messreihe zu Perowskit-Zellen im Außeneinsatz. Eine Erkenntnis: Standard-Perowskit-Solarzellen funktionieren während der Sommersaison auch über mehrere Jahre sehr gut, lassen jedoch in der dunkleren Jahreszeit etwas nach. Die Arbeit ist ein wichtiger Beitrag, um das Verhalten von Perowskit-Solarzellen unter realen Bedingungen zu verstehen.