Nanomuster aus Protein-Molekülen unter dem Kryo-Elektronenmikroskop

(a,b) Kryo-Elektronenmikroskopie des 2D-Gitters sowie das Beugungsmuster eines Ausschnitts. (c-e) Die Vergr&ouml;&szlig;erung zeigt das 2D Pascal-Dreiecksmuster, mit den eingef&uuml;gten Protein-Molek&uuml;len.</p> <p>

(a,b) Kryo-Elektronenmikroskopie des 2D-Gitters sowie das Beugungsmuster eines Ausschnitts. (c-e) Die Vergrößerung zeigt das 2D Pascal-Dreiecksmuster, mit den eingefügten Protein-Molekülen.

© Angewandte Chemie: doi.org/10.1002/anie.202000771

Ein Team vom Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) konnte mit Kryo-Elektronenmikroskopie in einer Probe aus Proteinen regelmäßige, zweidimensionale Strukturen in der Form von Pascal-Dreiecken nachweisen. Die Proben wurden in einem Labor von chinesischen Kooperationspartnern synthetisiert. Die Methode hat Potenzial, um auch Energiematerialien neu zu entdecken.

Sollen kleinste Strukturen sichtbar gemacht werden, setzen Forscher oft auf Elektronenmikroskope. „Bei diesen wird die Probe im Vakuum mit einem Elektronenstrahl abgetastet“, erklärt Dr. Zdravko Kochovski. Der Bioinformatiker und Physiker leitet das Kryo-Elektronenmikroskopie-Labor in der Abteilung für Elektrochemische Energiespeicherung am HZB. Eine Herausforderung ist: die Probe darf kein Wasser enthalten; muss vorher also präpariert werden. Das ist vor allem bei biologischen Proben aufwändig. Denn wird das Wasser innerhalb der Zelle ersetzt, kann diese dadurch verändert werden. Im ungünstigsten Fall führt das zu Fehlinterpretationen der Messergebnisse – zum Beispiel durch Artefakte.

Schockgefrieren von biologischen Proben

Forscher wie Zdravko Kochovski gehen deshalb einen anderen Weg und setzen auf extreme Kälte. Ihre Kryo-Elektronenmikroskope – vom griechischen „kryos“ für „kalt“ abgeleitet – arbeiten bei Temperaturen um 150 Grad Celsius unter null. Der Vorteil: Den biologischen Proben das Wasser zu entziehen, ist nicht nötig. Stattdessen werden sie „schockgefrostet“. Eiskristalle, die der Zelle schaden könnten, entstehen dabei nicht. Denn dazu hat das Wasser schlicht weg keine Zeit. Vitrifizieren, nennen die Experten diesen Vorgang, bei dem ihre Probe in einem amorphen Zustand erstarrt. „Ganz gewöhnliches Fensterglas ist wohl der bekannteste Vertreter solcher Materialien“, veranschaulicht der Forscher. „Doch auch Metalle, Halbmetalle oder organische Verbindungen lassen sich in den amorphen Zustand überführen.“ Um empfindliche Strukturen aus Proteinen sichtbar zu machen, ist das der beste Weg.

Muster aus einer Lage Proteine

Eine solche vitrifizierte Probe haben Guosong Chen und ihr Team von The State Key Laboratory of Molecular Engineering of Polymers der Fudan University in Shanghai hergestellt. Der Professorin für Chemie ist es zum allerersten Mal gelungen, Proteinmoleküle so miteinander zu verbinden, dass sie eine zweidimensionale, also nur eine Moleküllage dicke Struktur in Form eines speziellen Musters bilden: dem Pascal-Dreieckgitter. Zusammen mit Kochovski, weiteren Forschenden sowie Yan Lu, Professorin für Chemie und Leiterin der Abteilung für Elektrochemische Energiespeicherung am HZB, hat sie diese Arbeit im angesehenen Fachmagazin „Angewandte Chemie“ publiziert.

Selbstorganisierte Strukturen

Für ihre Forschung setzt Guosong Chen auf einen Prozess, der unter Fachleuten als Selbstassemblierung bekannt ist. „Proteine fügen sich ganz von selbst zu den unterschiedlichsten Strukturen zusammen“, erklärt Kochovski. Dabei entstehen vorzugsweise selbstähnliche Gebilde. Das heißt, das Kleine findet sich im Großen wieder; die Elemente, aus denen sich eine solche Struktur zusammensetzt, ähneln in ihrer Form der eigentlichen Struktur. Wie eben der des Pascal-Dreiecks. Das ist ein dreieckiges Muster, das wiederum aus kleinen Dreiecken besteht, in diesem Fall aus drei im gleichen Winkel miteinander verbundenen Proteinmolekülen. Allerdings sind Pascal-Dreiecke derart komplex, dass sie vor Guosong Chen noch niemals im Labor hergestellt wurden.

Baumuster der Natur

Die Natur hingegen nutzt diese Bauweise häufig: als Kapsid zum Beispiel, um das Erbgut von Viren zu verpacken; als Mikrotubulus, um Zellen eine stabile Form zu geben oder als Pilus, mit dem sich Bakterien an andere Zellen heften oder Biofilme bilden können. Die Strukturen und ihre Entstehung zu kennen, erweitert das Verständnis für die Gestaltungsprinzipien der Natur. Das dient aber nicht nur dazu, wissenschaftliche Neugier zu befriedigen. Es eröffnet gleich mehrere Anwendungsmöglichkeiten. „Denn mit dem nötigen Knowhow lassen sich Proteinkomplexe im Labor zusammenfügen und dabei eindimensionale Nanodrähte, zweidimensionale Nanoblätter oder dreidimensionale Schichtstrukturen maßschneidern“, erzählt Kochovski. „Diese Biosynthese birgt großes Potenzial. Denn die nanostrukturierten Materialien sind nicht nur biofunktional und biokompatibel. Wir setzen auch hohe Erwartungen in ihre Eigenschaften.“

Nanostrukturen für Elektronik, Katalyse, Medizin

Mit Strukturen aus Nanodrähten oder Nanoröhren könnte beispielsweise die Elektronik neue Wege gehen. Baugruppen, die auf Enzymen basieren, könnten als Katalysatoren für verschiedenste Reaktionen dienen. Oder als Transportbehältnis könnten Proteinkomplexe zukünftig Wirkstoffe gezielt zum Krankheitsherd im Körper schleusen. Und von natürlichen Virusstrukturen könnten sich die Forscher zu synthetischen Impfstoffen inspirieren lassen.

Bisher konzentrierte sich Kochovski auf organische Moleküle. „Mit dieser Methode lassen sich nicht nur Biopolymere, sondern auch Viren untersuchen“, erzählt der Wissenschaftler. „Kollegen von der University of Texas haben so zum Beispiel als erste die Struktur des SARS-CoV-2 Virus entschlüsselt.“ Doch damit ist die eisige Untersuchungsmethode noch lange nicht ausgereizt. „Wir haben unseren Forschungsbereich gerade erweitert und untersuchen nun auch anorganische Energiematerialien mit der Kryo-EM“, berichtet Kochovski. „Wir sind sicher, dass darin ein extrem hohes Potenzial liegt, diese Stoffe in ihrem nativen Zustand zu erforschen und damit letztendlich die regenerative Energieerzeugung effizienter zu machen.“

Kai Dürfeld

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • KI-Einsatz in der Chemie: Studie zeigt Stärken und Schwächen
    Nachricht
    04.06.2025
    KI-Einsatz in der Chemie: Studie zeigt Stärken und Schwächen
    Wie gut ist künstliche Intelligenz im Vergleich zu menschlichen Fachleuten? Ein Forschungsteam des HIPOLE Jena hat diese Frage im Bereich der Chemie untersucht: Mithilfe eines neu entwickelten Prüfverfahrens namens „ChemBench“ verglichen die Forschenden die Leistung moderner Sprachmodelle wie GPT-4 mit der von erfahrenen Chemikerinnen und Chemikern. 

  • TH Wildau und Helmholtz-Zentrum Berlin besiegeln umfassende Kooperation
    Nachricht
    30.05.2025
    TH Wildau und Helmholtz-Zentrum Berlin besiegeln umfassende Kooperation
    Am 21. Mai 2025 unterzeichneten die Technische Hochschule Wildau (TH Wildau) und das Helmholtz-Zentrum Berlin einen umfassenden Kooperationsvertrag. Ziel ist es, die Vernetzung und Zusammenarbeit insbesondere in der Grundlagenforschung weiter zu fördern, die wissenschaftliche Exzellenz beider Partner zu steigern und Kompetenznetzwerke in Forschung, Lehre sowie der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu entwickeln.

  • Grüner Wasserstoff: MXene steigert die Wirkung von Katalysatoren
    Science Highlight
    29.05.2025
    Grüner Wasserstoff: MXene steigert die Wirkung von Katalysatoren
    An den enorm großen inneren Oberflächen von MXenen können sich katalytisch aktive Partikel anheften. Mit diesem raffinierten Trick lässt sich ein preiswerter und viel effizienterer Katalysator für die Sauerstoffentwicklungsreaktion realisieren, die bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff bislang als Engpass gilt. Dies hat eine internationale Forschergruppe um die HZB-Chemikerin Michelle Browne nun in einer aufwendigen Untersuchung nachgewiesen. Die Studie ist in Advanced Functional Materials veröffentlicht.