Natrium-Ionen-Batterien: Neuer Speichermodus für Kathodenmaterialien
Das Bild zeigt eine Schichtstruktur aus Übergangsmetallen (blau) und Schwefel (gelb). Der Raum zwischen den Schichten kann durch Natriumionen (violett) und organische Lösungsmittelmoleküle (rot, braun) durch einen Prozess namens Ko-Interkalation besetzt werden. © Y. Sun et al., Nature Materials 2025
Batterien funktionieren, indem Ionen zwischen zwei chemisch unterschiedlichen Elektroden gespeichert und ausgetauscht werden. Dieser Prozess wird Interkalation genannt. Bei der Ko-Interkalation werden dagegen sowohl Ionen als auch Lösungsmittelmoleküle in den Elektrodenmaterialien gespeichert, was bisher als ungünstig galt. Ein internationales Team unter der Leitung von Philipp Adelhelm hat nun jedoch gezeigt, dass die Ko-Interkalation in Natrium-Ionen-Batterien mit den geeigneten Kathodenmaterialien funktionieren kann. Dieser Ansatz bietet neue Entwicklungsmöglichkeiten für Batterien mit hoher Effizienz und schnellen Ladefähigkeiten. Die Ergebnisse wurden in Nature Materials veröffentlicht.
Die Leistung von Batterien hängt von vielen Faktoren ab. Insbesondere kommt es darauf an, wie Ionen in den Elektrodenmaterialien gespeichert werden und ob sie wieder freigesetzt werden können. Da Natrium-Ionen als Ladungsträger relativ groß sind, können sie beim Einwandern in die jeweilige Elektrode unerwünschte Volumenänderungen verursachen. Dieser als „Atmung“ bezeichnete Effekt beeinträchtigt die Lebensdauer der Batterie. Die Volumenänderung ist besonders ausgeprägt, wenn Natriumionen zusammen mit Molekülen aus dem organischen Elektrolyten in Elektrodenmaterialien einwandern. Diese Ko-Interkalation bisher als unerwünscht und nachteilig für die Lebensdauer von Batterien angesehen.
Ein internationales Team um Prof. Dr. Philipp Adelhelm hat nun Kathodenmaterialien untersucht, bei denen die Ko-Interkalation von Ionen mit Lösungsmittelmolekülen gut funktioniert und schnellere Lade- und Entladevorgänge ermöglicht.
Ko-Interkalation in Graphitanoden
In früheren Studien untersuchte das Team bereits die Ko-Interkalation in Graphitanoden und zeigte, dass Natrium in Kombination mit Glyme-Molekülen über viele Zyklen hinweg schnell und reversibel in den Elektrolyten hinein- und wieder herauswandern kann. Dasselbe Konzept ließ sich jedoch bislang nicht auf Kathodenmaterialien anwenden. Das Team um Adelhelm untersuchte nun dafür Kathodenmaterialien aus geschichteten Übergangsmetallsulfiden. „Der Prozess der Ko-Interkalation könnte zur Entwicklung von effizienten Batterien mit sehr kurzen Ladedauern genutzt werden. Deshalb wollten wir dieses Thema genauer untersuchen“, sagt Adelhelm.
In Kathoden funktioniert der Prozess anders
In die Studie sind Ergebnisse aus den letzten drei Jahren eingeflossen: Dr. Yanan Sun, Postdoktorandin in Adelhelms Team, führte die Messungen der Volumenänderung in den Kathodenmaterialien durch, untersuchte mit Synchrotronstrahlung an PETRA III (DESY) die Struktur der Materialien und ermittelte für verschiedene Kombinationen von Elektroden und Lösungsmitteln die elektrochemischen Eigenschaften. In Zusammenarbeit mit Dr. Gustav Åvall und theoretischen Modellierungen konnte das Team die entscheidenden Parameter identifizieren, die es ermöglichen, Ko-Interkalationsreaktionen vorab zu modellieren. „Der Ko-Interkalationsprozess in Kathodenmaterialien unterscheidet sich erheblich von dem in Graphitanoden“, erklärt Yanan Sun.
Geringe Kapazitätsverluste, schnelle Kinetik
Während Ko-Interkalationsreaktionen in Graphitanoden typischerweise die Kapazität reduzieren, ist der durch Ko-Interkalation verursachte Kapazitätsverlust in den untersuchten Kathodenmaterialien sehr gering. „Bestimmte Kathodenmaterialien bieten einen enormen Vorteil: Die Kinetik ist superschnell, fast wie bei einem Superkondensator!“, betont Sun.
Chemische "Landschaft" bietet viele Optionen
„Die wahre Schönheit der Ko-Interkalationsreaktionen liegt in der riesigen „chemischen Landschaft“, die sich damit für die Entwicklung neuartiger Schichtmaterialien für vielfältige Anwendungen aufspannt“, sagt Adelhelm. Die Erforschung des Ko-Interkalationskonzepts war riskant, da es den klassischen Erkenntnissen zu Batterien widersprochen hat. „Ich war daher dankbar, dass ich für diese Idee vom Europäischen Forschungsrat durch einen ERC Consolidator Grant gefördert wurde. Die Ergebnisse kommen durch die Zusammenarbeit vieler talentierter Menschen zustande und wären ohne die Möglichkeiten der vom Helmholtz-Zentrum Berlin und der Humboldt-Universität finanzierten gemeinsamen Forschungsgruppe zur Operando-Batterieanalyse nicht möglich gewesen“, fügt er hinzu. „Das kürzlich angekündigte Berlin Battery Lab zwischen HZB, HU und BAM wird noch mehr Möglichkeiten für gemeinsame Forschungsprojekte in Berlin bieten.“