Neues Behandlungskonzept gegen Krebs

Kristallstruktur eines menschlichen MTH1-Proteins in Verbindung mir einem Schlüsselinhibitor. Bildquelle:Stockholm University, Prof. Pal Stenmark.

Kristallstruktur eines menschlichen MTH1-Proteins in Verbindung mir einem Schlüsselinhibitor. Bildquelle:Stockholm University, Prof. Pal Stenmark.

Ein Forscherteam von fünf schwedischen Universitäten hat einen neuen Weg gefunden, Krebs zu behandeln. Ihr Konzept haben die Wissenschaftler jetzt im Fachjournal „Nature“ vorgestellt. Es basiert darauf, ein für Krebszellen charakteristisches Enzym mit der Bezeichnung MTH1 zu blockieren. Im Gegensatz zu normalen Zellen brauchen Krebszellen MTH1, um zu überleben. Ohne MTH1 werden oxidierte Nukleotide in die Krebs-DNA integriert – letale DNA-Doppelstrangbrüche sind die Folge.

Die Forschungsgruppe an der Universität Stockholm hat nun die Struktur von MTH1 aufgeklärt – basierend auf Diffraktionsmessungen, die an der MX-Beamline des HZB an BESSY II vorgenommen wurden. Detaillierte Strukturinformationen sind wichtig für die Entwicklung effizienter MTH1-Inhibitoren.

In der Vergangenheit hat sich die Entwicklung von Krebs-Therapeutika darauf konzentriert, spezifische genetische Defekte in Krebszellen zu adressieren. Dieses Vorgehen ist zunächst oft sehr effektiv – später entstehen aber erhebliche Probleme, weil die Krebszellen schnelle Resistenzen gegen die Medikamente ausbilden. In der vorliegenden Studie stellen die Wissenschaftler eine allgemeine enzymatische Aktivität vor, die sie bei allen getesteten Krebsarten gefunden haben und die unabhängig von spezifischen Mutationen einzelner Krebsarten zu sein scheint: Die Forscher konnten zeigen, dass alle untersuchten Tumore MTH1 zum Überleben brauchen. Dadurch unterscheiden sich die Krebszellen von normalen Zellen, die ohne MTH1 überleben können.

„Das Konzept basiert auf der Tatsache, dass Krebszellen einen veränderten Stoffwechsel haben“, sagt der Leiter der Studie, Professor Dr. Thomas Helleday vom schwedischen Karolinska-Institut: „Das liegt daran, dass in Krebszellen Nukleotid-Bausteine oxidiert werden. MTH1 repariert die beschädigten DNA-Bausteine und verhindert so, dass der oxidative Stress zur Schädigung der Krebs-DNA führt- die Vermehrungsfähigkeit der Zellen bleibt erhalten.“ Blockieren die Wissenschaftler aber MTH1, werden beschädigte Nukleotide in die DNA eingebaut. Das Erbmaterial des Krebses ist geschädigt – seine Zellen sterben.

Normale Zellen brauchen kein MTH1. Sie haben im Gegensatz zu Krebszellen einen gut regulierten Stoffwechsel, so dass es nicht zu einer oxidativen Schädigung von Nukleotiden kommt. „Die Tatsache, dass wir eine Enzymaktivität gefunden haben, die ausschließlich in Krebszellen zu finden ist, eröffnet ganz neue Möglichkeiten, Krebs zu behandeln“, so Helleday.

Originalpublikation:
“MTH1 inhibition kills cancer by preventing sanitation of the dNTP pool”, Helge Gad, Tobias Koolmeister, Ann-Sofie Jemth et al., Nature, online 2 April 2014, doi: 10.1038/nature13181.?http://dx.doi.org/10.1038/nature13181.
“Stereospecific targeting of MTH1 by (S)-crizotinib as anticancer strategy”, Kilian V. M. Huber, Eidarus Salah, Branka Radic et al., Nature, online 2 April 2014, doi: 10.1038/nature13194?http://dx.doi.org/10.1038/nature13194

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Schriftrollen aus buddhistischem Schrein an BESSY II virtuell entrollt
    Science Highlight
    23.07.2025
    Schriftrollen aus buddhistischem Schrein an BESSY II virtuell entrollt
    In der mongolischen Sammlung des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin befindet sich ein einzigartiger Gungervaa-Schrein. Der Schrein enthält auch drei kleine Röllchen aus eng gewickelten langen Streifen, die in Seide gewickelt und verklebt sind. Ein Team am HZB konnte die Schrift auf den Streifen teilweise sichtbar machen, ohne die Röllchen durch Aufwickeln zu beschädigen. Mit 3D-Röntgentomographie erstellten sie eine Datenkopie des Röllchens und verwendeten im Anschluss ein mathematisches Verfahren, um den Streifen virtuell zu entrollen. Das Verfahren wird auch in der Batterieforschung angewandt.
  • Helmholtz-Promotionspreis für Hanna Trzesniowski
    Nachricht
    09.07.2025
    Helmholtz-Promotionspreis für Hanna Trzesniowski
    Hanna Trzesniowski hat während ihrer Promotion am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) an nickelbasierten Elektrokatalysatoren für die Wasserspaltung geforscht. Ihre Arbeit trägt dazu bei, das Verständnis der alkalischen Wasserelektrolyse zu vertiefen und den Weg für die Entwicklung effizienterer und stabilerer Katalysatoren zu ebnen. Dafür erhielt sie am 8. Juli 2025 den Helmholtz-Promotionspreis, der die besten und originellsten Doktorarbeiten der Helmholtz-Gemeinschaft würdigt.
  • Neue Abteilung am HZB: „KI und Biomolekulare Strukturen“
    Nachricht
    07.07.2025
    Neue Abteilung am HZB: „KI und Biomolekulare Strukturen“
    Dr. Andrea Thorn baut seit 1. Juli 2025 am HZB die neue Abteilung „KI und Biomolekulare Strukturen“ auf. Die Biophysikerin bringt langjährige Expertise in KI-basierten Tools für die Strukturbiologie mit und freut sich auf die enge Zusammenarbeit mit dem Team für Makromolekulare Kristallographie an den MX-Beamlines von BESSY II.