Sandwiches aus Metalloxiden: Wie sich Eigenschaften der Grenzflächen manipulieren lassen

Die Skizze zeigt den Aufbau der beiden Metalloxidschichten. Die interessanten neuen Eigenschaften zeigen sich genau an der Grenzfläche.

Die Skizze zeigt den Aufbau der beiden Metalloxidschichten. Die interessanten neuen Eigenschaften zeigen sich genau an der Grenzfläche. © M.Bibes

Eine französisch-deutsche Kooperation hat ein Schichtsystem aus Übergangsmetalloxiden an BESSY II untersucht. Dabei entdeckten die Wissenschaftler eine neue Möglichkeit, um Eigenschaften der Grenzfläche gezielt zu verändern, zum Beispiel den Ladungstransfer oder die magnetischen Eigenschaften. Möglicherweise könnte man damit sogar neue Formen der Hochtemperatur-Supraleitung erzeugen.

So genannte Sandwich-Systeme aus dünnen Schichten von Übergangsmetalloxiden zeigen oft überraschende Eigenschaften an den Grenzflächen. Das Paradebeispiel ist eine Doppelschicht aus Lanthan-Aluminat (LaAlO3) und Strontium-Titanat (SrTiO3): während die beiden Oxid-Schichten im Inneren des Materials elektrisch isolierend und unmagnetisch sind, beobachtet man an der Grenzfläche der beiden Schichten Ferromagnetismus, hohe Leitfähigkeit und unter bestimmten Bedingungen sogar Supraleitung.

Nun hat ein Team um Manuel Bibes vom CNRS in Thales, Frankreich, gemeinsam mit internationalen Partnern einen neuen Ansatz gefunden, um die Eigenschaften von Grenzflächen gezielt zu steuern. Zusammen mit Sergio Valencia und weiteren Wissenschaftlern vom HZB konzipierten sie eine Versuchsreihe an BESSY II, mit der sie nun aufsehenerregende Ergebnisse erzielt haben.

Selten-Erd-Elemente verändern den Ladungstransfer  

Das Team um Manuel Bibes stellte dafür zunächst Doppelschichten aus extrem dünnen Metalloxid-Filmen her, einen Gadolinium-Titanat (GdTiO3)-Film und einen „R“-Nickelat (RNiO3)-Film, wobei „R“ ein Element aus der Gruppe der Seltenen Erden ist. „Es ist uns damit gelungen, zwei sehr unterschiedliche Übergangsmetalloxide zu kombinieren: Während in der chemischen Bindung der Titanat-Schicht die Elektronen stark lokalisiert sind, sind sie in der Nickelat-Schicht zwischen den Sauerstoff- und Nickelatomen verteilt (kovalente Bindung)“, erklärt Manuel Bibes. An der Grenzfläche wandern daher einige Ladungsträger aus der Titanat- in die Nickelat-Schicht. Diesen Prozess untersuchten die Wissenschaftler nun anhand von Proben mit unterschiedlichen Selten-Erd-Elementen: Lanthan, Neodym und Samarium.

An BESSY II konnten sie nun erstmals beobachten, dass der Ladungstransfer zwischen den beiden Schichten vom Selten-Erd-Element in der Nickelat-Schicht abhängt. Die unterschiedlichen Selten-Erd-Elemente besitzen verschiedene Atomradien. Dies beeinflusst die Wechselwirkungen zwischen den Nickel- und Sauerstoff-Atomen und damit auch die so genannte „Kovalenz“ und ihren Anteil an der chemischen Bindung. Dies ist soweit bekannt; aber die Wissenschaftler konnten nun erstmals beobachten, dass sich die Stärke der Kovalenz wiederum auf den Ladungstransfer von der Titanat- in die Nickelat-Schicht auswirkt. „Das ist das wichtigste Ergebnis“, sagt Valencia. „Wir haben damit entdeckt, wie wir die chemische Bindung beeinflussen können, um den Ladungstransfer zu steuern.“


Ferromagnetismus beobachtet, Supraleitung erhofft

Über diesen Mechanismus könnte man beeinflussen, wie sich neue Phasen an den Grenzflächen ausbilden, zum Beispiel der Ferromagnetismus, der in dem jetzigen Experiment beobachtet wurde. „Vielleicht können wir so auch unkonventionelle Supraleitung finden, die man in Analogie zu Kupraten auch in solchen Nickelat-Heterostrukturen vermutet “, hofft Valencia. “Wir hoffen, dass diese Arbeit dazu beitragen wird, bessere Grenzflächen zu entwickeln, an denen neue aufregende Phasen der Materie gezielt erzeugt und untersucht werden können“, sagt Manuel Bibes.


Zur Publikation in Nature Physics: doi:10.1038/nphys3627

'Hybridization-controlled charge transfer and induced magnetism at correlated oxide interfaces'. M. N. Grisolia, J. Varignon, G. Sanchez-Santolino, A. Arora, S. Valencia, M. Varela, R. Abrudan, E.Weschke, E. Schierle, J. E. Rault, J.-P. Rueff, A. Barthélémy, J. Santamaria and M. Bibes

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Gute Aussichten für Zinn-Perowskit-Solarzellen
    Science Highlight
    03.12.2025
    Gute Aussichten für Zinn-Perowskit-Solarzellen
    Perowskit-Solarzellen gelten weithin als die Photovoltaik-Technologie der nächsten Generation. Allerdings sind Perowskit-Halbleiter langfristig noch nicht stabil genug für den breiten kommerziellen Einsatz. Ein Grund dafür sind wandernde Ionen, die mit der Zeit dazu führen, dass das Halbleitermaterial degradiert. Ein Team des HZB und der Universität Potsdam hat nun die Ionendichte in vier verschiedenen Perowskit-Halbleitern untersucht und dabei erhebliche Unterschiede festgestellt. Eine besonders geringe Ionendichte wiesen Zinn-Perowskit-Halbleiter auf, die mit einem alternativen Lösungsmittel hergestellt wurden – hier betrug die Ionendichte nur ein Zehntel im Vergleich zu Blei-Perowskit-Halbleitern. Damit könnten Perowskite auf Zinnbasis ein besonders großes Potenzial zur Herstellung von umweltfreundlichen und besonders stabilen Solarzellen besitzen.
  • Synchrotronstrahlungsquellen: Werkzeugkästen für Quantentechnologien
    Science Highlight
    01.12.2025
    Synchrotronstrahlungsquellen: Werkzeugkästen für Quantentechnologien
    Synchrotronstrahlungsquellen erzeugen hochbrillante Lichtpulse, von Infrarot bis zu harter Röntgenstrahlung, mit denen sich tiefe Einblicke in komplexe Materialien gewinnen lassen. Ein internationales Team hat nun im Fachjournal Advanced Functional Materials einen Überblick über Synchrotronmethoden für die Weiterentwicklung von Quantentechnologien veröffentlicht: Anhand konkreter Beispiele zeigen sie, wie diese einzigartigen Werkzeuge dazu beitragen können, das Potenzial von Quantentechnologien wie z. B. Quantencomputing zu erschließen, Produktionsbarrieren zu überwinden und den Weg für zukünftige Durchbrüche zu ebnen.
  • Neue Katalysatormaterialien auf Basis von Torf für Brennstoffzellen
    Science Highlight
    25.11.2025
    Neue Katalysatormaterialien auf Basis von Torf für Brennstoffzellen
    Eisen-Stickstoff-Kohlenstoff-Katalysatoren haben das Potenzial, teure Platinkatalysatoren in Brennstoffzellen zu ersetzen. Dies zeigt eine Studie aus Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB), der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und der Universitäten in Tartu und Tallinn, Estland. An BESSY II beobachtete das Team, wie sich komplexe Mikrostrukturen in den Proben bilden. Anschließend analysierten sie, welche Strukturparameter für die Förderung der bevorzugten elektrochemischen Reaktionen besonders wichtig waren. Der Rohstoff für solche Katalysatoren ist gut zersetzter Torf.