Blackbox-Verfahren für superschnelle Ergebnisse

Die elektronische Struktur komplexer Moleküle kann aus RIXS-Daten an BESSY II errechnet werden.

Die elektronische Struktur komplexer Moleküle kann aus RIXS-Daten an BESSY II errechnet werden. © Martin Künsting /HZB

Die elektronische Struktur von komplexen Molekülen und ihre chemische Reaktivität können mit Hilfe der Methode der resonanten inelastischen Röntgenstreuung (RIXS) an BESSY II untersucht werden. Allerdings erfordert die Auswertung von RIXS-Daten bisher sehr lange Rechenzeiten. Ein Team an BESSY II hat nun ein neues Simulationsverfahren entwickelt, das diese Auswertung stark beschleunigt. Die Ergebnisse können sogar während des Experiments berechnet werden. Messgäste können das Verfahren wie eine Blackbox nutzen.

Moleküle aus vielen Atomen sind komplexe Gebilde. Die Außenelektronen verteilen sich auf die unterschiedlichen Orbitale, und deren Gestalt entscheidet über das chemische Verhalten und die Reaktivität des Moleküls. Experimentell lassen sich Konfiguration und Besetzung dieser Orbitale durchaus ermitteln. An Synchrotronquellen mit hochbrillanter Röntgenstrahlung wie BESSY II steht dafür eine Methode zur Verfügung: Die resonante inelastische Röntgenstreuung (RIXS). Um von den Messdaten jedoch zu Aussagen über die Orbitale zu kommen, sind aufwändige quantenchemische Simulationen notwendig, typische Rechenzeiten für größere Moleküle dauern selbst an Großrechnern Wochen.  

„Bisher fanden diese Berechnungen meist im Anschluss an die Messungen statt“, erklärt der theoretische Chemiker Dr. Vinicius Vaz da Cruz, Postdoc im Team von Prof. Dr. Alexander Föhlisch. Gemeinsam mit dem RIXS-Experten Dr. Sebastian Eckert, ebenfalls Postdoc in Föhlischs Team, haben sie nun ein raffiniertes neues Verfahren entwickelt, das die Auswertung um ein Vielfaches beschleunigt.

Auswertung binnen Minuten

„Mit unserer Methode dauert es ein paar Minuten und wir brauchen dafür keinen Großrechner, es funktioniert auf dem Desktoprechner“, sagt Eckert. Die HZB-Wissenschaftler haben das Verfahren an dem Molekül 2-Thiopyridon, getestet, einem Modellmolekül für Protonentransfer-Prozesse, die in lebenden Zellen und Organismen eine entscheidende Rolle spielen. Die Ergebnisse sind trotz der kurzen Rechenzeit präzise und zielführend.

Simulationen während der Messung möglich

„Dies ist ein gewaltiger Fortschritt“, betont Föhlisch. „So können wir vorab bereits viele Optionen durchspielen und das Molekül sozusagen kennenlernen. Außerdem ist es mit diesem Verfahren auch möglich, weitaus komplexere Moleküle zu simulieren und die experimentell gewonnenen Daten sinnvoll zu interpretieren.“  Experimentalphysiker Eckert fügt an:„ Auch während der Messung können wir jetzt die Simulationen mitlaufen lassen und gleich sehen, wo es eventuell besonders spannend ist, experimentell genauer hinzuschauen.“

Das Verfahren stellt eine Erweiterung der weit verbreiteten, höchst effizienten Methode der zeitabhängigen Dichtefunktionaltheorie dar, welche um ein Vielfaches schneller Ergebnisse liefert, als konventionelle Methoden zur Simulation von RIXS Spektren. „Dies lässt uns die Methode weitestgehend automatisieren“, sagt Vaz da Cruz: „Für den Nutzer lässt sich das Verfahren wie eine Blackbox benutzen.“

 

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Science Highlight
    21.10.2025
    BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Erstmals ist es einem Team an BESSY II gelungen, experimentell eindimensionale elektronische Eigenschaften in einem Material nachzuweisen. Die Proben bestanden aus kurzen Ketten aus Phosphoratomen, die sich auf einem Silbersubstrat selbst organisiert in bestimmten Winkeln bilden. Durch eine raffinierte Auswertung gelang es, die Beiträge von unterschiedlich ausgerichteten Ketten voneinander zu trennen und zu zeigen, dass die elektronischen Eigenschaften tatsächlich einen eindimensionalen Charakter besitzen. Berechnungen zeigten darüber hinaus, dass ein spannender Phasenübergang zu erwarten ist. Während das Material aus einzelnen Ketten halbleitend ist, wäre eine sehr dichte Kettenstruktur metallisch.
  • Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Science Highlight
    20.10.2025
    Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Vor Jahrmillionen produzierten einige Meeresorganismen mysteriöse Magnetpartikel von ungewöhnlicher Größe, die heute als Fossilien in Sedimenten zu finden sind. Nun ist es einem internationalen Team gelungen, die magnetischen Domänen auf einem dieser „Riesenmagnetfossilien” mit einer raffinierten Methode an der Diamond-Röntgenquelle zu kartieren. Ihre Analyse zeigt, dass diese Partikel es den Organismen ermöglicht haben könnten, winzige Schwankungen sowohl in der Richtung als auch in der Intensität des Erdmagnetfelds wahrzunehmen. Dadurch konnten sie sich verorten und über den Ozean navigieren. Die neue Methode eignet sich auch, um zu testen, ob bestimmte Eisenoxidpartikel in Marsproben tatsächlich biogenen Ursprungs sind.
  • Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Science Highlight
    16.10.2025
    Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Mit Infrarot-Vibrationsspektroskopie an BESSY II lassen sich hochaufgelöste Karten von Molekülen in lebenden Zellen und Zellorganellen in ihrer natürlichen wässrigen Umgebung erstellen, zeigt eine neue Studie von einem Team aus HZB und Humboldt-Universität zu Berlin. Die Nano-IR-Spektroskopie mit SNOM an der IRIS-Beamline eignet sich, um winzige biologische Proben zu untersuchen und Infrarotbilder der Molekülschwingungen mit Nanometer-Auflösung zu erzeugen. Es ist sogar möglich, 3D-Informationen, also Infrarot-Tomogramme, aufzuzeichnen. Um das Verfahren zu testen, hat das Team Fibroblasten auf einer hochtransparenten SiC-Membran gezüchtet und in vivo untersucht. Die Methode ermöglicht neue Einblicke in die Zellbiologie.