Realitätsgetreues Modell einer Batterieelektrode am Rechner

Mit Synchrotron-Tomographie an BESSY II wurde die 3D-Struktur der Batterie-Elektrode mikrometergenau ermittelt.

Mit Synchrotron-Tomographie an BESSY II wurde die 3D-Struktur der Batterie-Elektrode mikrometergenau ermittelt. © L. Zielke/S. Thiele

Eine Rasterelektronenmikroskopie-Aufnahme von kleinen Bereichen der Elektrode zeigte Details auf Nanometer-Skala.

Eine Rasterelektronenmikroskopie-Aufnahme von kleinen Bereichen der Elektrode zeigte Details auf Nanometer-Skala. © L. Zielke/S. Thiele

Mit dem mathematischen Modell gelang es, Informationen über die Nanostruktur auf die viel größere Struktur aus dem Synchrotron-Tomogramm zu übertragen.

Mit dem mathematischen Modell gelang es, Informationen über die Nanostruktur auf die viel größere Struktur aus dem Synchrotron-Tomogramm zu übertragen. © L. Zielke/S. Thiele

Ein Forschungsteam hat einen neuen Ansatz entwickelt, um Batterie-Elektroden am Computer noch realistischer zu modellieren. Sie kombinierten dafür Synchrotron-Tomographie-Aufnahmen, die die dreidimensionale Struktur mikrometergenau abbilden, mit Elektronenmikroskopie-Aufnahmen, die in einem kleinen Ausschnitt sogar Nanostrukturen auflösen. Mit einem mathematischen Modell konnten sie diese Nanostrukturen auf Bereiche außerhalb des Ausschnitts übertragen. Dadurch lassen sich Eigenschaften und Prozesse in Batterie-Elektroden nun höchst realistisch simulieren.

Batterien müssen noch leichter, leistungsfähiger und günstiger werden, um eines Tages in großem Maßstab Autos anzutreiben oder Strom aus Wind und Sonne zu speichern. Eine Möglichkeit, die Entwicklung zu beschleunigen, ist das „Virtual Materials Design“: Mit dem passenden Computerprogramm lassen sich in ein paar Klicks die unterschiedlichsten Materialstrukturen virtuell herstellen und austesten, so die Idee. Das Problem liegt allerdings in der fehlenden Realitätsnähe. „Das Material, das man am Computer erfindet, muss ja letztendlich auch in der Realität herstellbar sein; das geht aber nur, wenn es auf realen Strukturparametern beruht“, erklärt HZB-Forscher Dr. Ingo Manke.

Daten aus zwei bildgebenden Verfahren mit mathematischem Modell kombiniert

Um Materialsysteme für Batterie-Elektroden auf Basis realer Strukturparameter im Computer zu modellieren, haben Manke und sein Kollege Dr. André Hilger vom HZB-Institut für Angewandte Materialforschung nun zusammen mit einem Team der Brigham Young University (USA) und der Universität Freiburg einen neuen Ansatz entwickelt. Sie kombinierten dafür zwei verschiedene tomographische Verfahren zu einem sogenannten multiskaligen Ansatz. Zunächst analysierten sie eine moderne LiCoO2-Batterie-Elektrode mit Synchrotron-Tomographie an BESSY II, so dass sie Informationen zur dreidimensionalen Struktur auf der Mikrometer-Skala erhielten. Zusätzlich erfassten sie mit einem Rasterelektronenmikroskop mit fokussiertem Ionenstrahl (SEM/FIB-Tomographie) die noch tausendmal feinere Nano-Struktur, allerdings nur in einem sehr kleinen Ausschnitt des Materials. Mit einem mathematischen Modell, entwickelt von Prof. Dr. Dean R. Wheeler (Brigham Young Universität), gelang es, diese Informationen über die Nanostruktur auf die viel größere Struktur aus dem Synchrotron-Tomogramm zu übertragen.

Virtuelles Materialdesign am Rechner

„Das kann man sich in etwa wie bei einer Tapete vorstellen, deren feine Struktur sich immer wiederholt und so die gesamte Wand bedeckt. Nur dass sich die Struktur in diesem Fall nicht wiederholt, sondern immer wieder anders berechnet wird“, erklärt Manke. Der neue Ansatz ermöglicht es, Strukturen, die in echten Batterien vorkommen, sehr realitätsgetreu in ein Computermodell zu überführen, so dass sich wichtige Prozesse wie die Strom-Verteilung oder der Ionen-Transport virtuell untersuchen lassen. Im nächsten Schritt sollen diese modellierten Strukturen nun schrittweise verändert werden, um etwa die Strom-Verteilungen oder den Ionen-Transport zu verbessern. „Letztlich soll die Struktur, die wir am Computer optimiert haben, auch im Labor hergestellt werden können, dann werden wir testen, wie gut das Verfahren wirklich funktioniert“, sagt Manke.

Die Ergebnisse dieser Studie sind in der renommierten Zeitschrift Advanced Energy Materials publiziert worden [1], die mit einem Impact-Factor von 14.4 zu den am häufigsten zitierten Journalen auf diesem Gebiet gehört. Die Arbeiten setzten eine vorangegangene Studie der Arbeitsgruppen fort, die im letzten Jahr in derselben Zeitschrift veröffentlich wurden [2].

Vollständige Referenzen:

[1] L. Zielke, T. Hutzenlaub, D. R. Wheeler, C.-W. Chao, I. Manke, A. Hilger, N. Paust, R. Zengerle, S. Thiele, Three-phase multiscale modeling of a LiCoO2 cathode – Combining the advantages of FIB-SEM imaging and X-ray tomography, Advanced Energy Materials 5, 5, p. 1401612 (2015)
[2] L. Zielke, T. Hutzenlaub, D. R. Wheeler, I. Manke, T. Arlt, N. Paust, R. Zengerle, S. Thiele, A Synthesis of X-ray Tomography and Carbon Binder Modeling - Reconstructing the Three Phases of LiCoO2 Li-ion Battery Cathodes, Advanced Energy Materials 4, 8, p. 1301617 (2014)

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Science Highlight
    21.10.2025
    BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Erstmals ist es einem Team an BESSY II gelungen, experimentell eindimensionale elektronische Eigenschaften in einem Material nachzuweisen. Die Proben bestanden aus kurzen Ketten aus Phosphoratomen, die sich auf einem Silbersubstrat selbst organisiert in bestimmten Winkeln bilden. Durch eine raffinierte Auswertung gelang es, die Beiträge von unterschiedlich ausgerichteten Ketten voneinander zu trennen und zu zeigen, dass die elektronischen Eigenschaften tatsächlich einen eindimensionalen Charakter besitzen. Berechnungen zeigten darüber hinaus, dass ein spannender Phasenübergang zu erwarten ist. Während das Material aus einzelnen Ketten halbleitend ist, wäre eine sehr dichte Kettenstruktur metallisch.
  • Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Science Highlight
    20.10.2025
    Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Vor Jahrmillionen produzierten einige Meeresorganismen mysteriöse Magnetpartikel von ungewöhnlicher Größe, die heute als Fossilien in Sedimenten zu finden sind. Nun ist es einem internationalen Team gelungen, die magnetischen Domänen auf einem dieser „Riesenmagnetfossilien” mit einer raffinierten Methode an der Diamond-Röntgenquelle zu kartieren. Ihre Analyse zeigt, dass diese Partikel es den Organismen ermöglicht haben könnten, winzige Schwankungen sowohl in der Richtung als auch in der Intensität des Erdmagnetfelds wahrzunehmen. Dadurch konnten sie sich verorten und über den Ozean navigieren. Die neue Methode eignet sich auch, um zu testen, ob bestimmte Eisenoxidpartikel in Marsproben tatsächlich biogenen Ursprungs sind.
  • Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Science Highlight
    16.10.2025
    Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Mit Infrarot-Vibrationsspektroskopie an BESSY II lassen sich hochaufgelöste Karten von Molekülen in lebenden Zellen und Zellorganellen in ihrer natürlichen wässrigen Umgebung erstellen, zeigt eine neue Studie von einem Team aus HZB und Humboldt-Universität zu Berlin. Die Nano-IR-Spektroskopie mit SNOM an der IRIS-Beamline eignet sich, um winzige biologische Proben zu untersuchen und Infrarotbilder der Molekülschwingungen mit Nanometer-Auflösung zu erzeugen. Es ist sogar möglich, 3D-Informationen, also Infrarot-Tomogramme, aufzuzeichnen. Um das Verfahren zu testen, hat das Team Fibroblasten auf einer hochtransparenten SiC-Membran gezüchtet und in vivo untersucht. Die Methode ermöglicht neue Einblicke in die Zellbiologie.