Zukünftige Informationstechnologien: Dreidimensionale Quanten-Spin-Flüssigkeit entdeckt

Zwei der vier magnetischen Wechselwirkungen bilden ein neues dreidimensionales Netz aus Dreiecken mit gemeinsamen Ecken, das als Hyper-Hyperkagome-Gitter bekannt ist und zu dem Quanten-Spin-Fl&uuml;ssigkeitsverhalten in PbCuTe<sub>2</sub>O<sub>6</sub> f&uuml;hrt.

Zwei der vier magnetischen Wechselwirkungen bilden ein neues dreidimensionales Netz aus Dreiecken mit gemeinsamen Ecken, das als Hyper-Hyperkagome-Gitter bekannt ist und zu dem Quanten-Spin-Flüssigkeitsverhalten in PbCuTe2O6 führt. © HZB

Quanten-Spin-Flüssigkeiten sind Kandidaten für den Einsatz in zukünftigen Informationstechnologien. Bisher sind Quanten-Spin-Flüssigkeiten meist nur in ein- oder zweidimensionalen magnetischen Systemen zu finden. Nun hat eine internationale Kooperation unter der Leitung eines HZB-Teams Kristalle aus PbCuTe2O6 mit Neutronenexperimenten untersucht. Sie fanden Spin-Flüssigkeits-Verhalten in drei Dimensionen, bedingt durch ein sogenanntes Hyper-Hyperkagome-Gitter. Die experimentellen Daten passen sehr gut zu theoretischen Simulationen, die am HZB durchgeführt wurden.

IT-Bauelemente basieren heute auf elektronischen Prozessen in Halbleitern. Der nächste wirkliche Durchbruch könnte darin bestehen, dass andere Quantenphänomene genutzt werden, zum Beispiel Wechselwirkungen zwischen winzigen magnetischen Momenten im Material, den Spins. So genannte Quanten-Spin-Flüssigkeitsmaterialien könnten Kandidaten für solche neuen Technologien sein. Sie unterscheiden sich deutlich von herkömmlichen magnetischen Materialien, da Quantenfluktuationen die magnetischen Wechselwirkungen dominieren: Aufgrund geometrischer Zwänge im Kristallgitter können Spins nicht alle zusammen in einem Grundzustand "einfrieren" - sie sind gezwungen zu fluktuieren, selbst bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt.

Seltenes Quantenphänomen

Quanten-Spin-Flüssigkeiten sind selten und wurden bisher vorwiegend in zweidimensionalen magnetischen Systemen gefunden. Dreidimensionale isotrope Spinflüssigkeiten werden meist in Materialien gesucht, bei denen die magnetischen Ionen Pyrochlor- oder Hyperkagome-Gitter bilden. Ein internationales Team unter der Leitung der HZB-Physikerin Prof. Bella Lake erforschte nun Proben von PbCuTe2O6. Sie besitzen ein dreidimensionales Gitter, das als Hyper-Hyperkagome-Gitter bezeichnet wird. 

Theoretische Modellierung der magnetischen Wechselwirkungen

HZB-Physiker Prof. Johannes Reuther berechnete mit theoretischen Modellen das Verhalten eines solchen dreidimensionalen Hyper-Hyperkagome-Gitters mit vier magnetischen Wechselwirkungen. Diese Betrachtungen zeigten, dass das System Quanten-Spin-Flüssigkeitsverhalten mit einem spezifischen magnetischen Energiespektrum aufweist.

Neutronenexperimente zeigen 3D-Quantenspinflüssigkeitsverhalten

Mit Neutronenexperimenten am ISIS, UK, ILL, Frankreich und NIST, USA konnte das Team die sehr subtilen Signale dieses vorhergesagten Verhaltens nachweisen.  „Wir waren überrascht, wie gut unsere Daten zu den Berechnungen passen. Das gibt uns die Hoffnung, dass wir wirklich verstehen können, was in diesen Systemen geschieht", erklärt Erstautorin Dr. Shravani Chillal, HZB.

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Langzeit-Stabilität von Perowskit-Solarzellen deutlich gesteigert
    Science Highlight
    07.11.2025
    Langzeit-Stabilität von Perowskit-Solarzellen deutlich gesteigert
    Perowskit-Solarzellen sind kostengünstig in der Herstellung und liefern viel Leistung pro Fläche. Allerdings sind sie bisher noch nicht stabil genug für den Langzeit-Einsatz. Nun hat ein internationales Team unter der Leitung von Prof. Dr. Antonio Abate durch eine neuartige Beschichtung der Grenzfläche zwischen Perowskitschicht und dem Top-Kontakt die Stabilität drastisch erhöht. Dabei stieg der Wirkungsgrad auf knapp 27 Prozent, was dem aktuellen state-of-the-art entspricht. Dieser hohe Wirkungsgrad nahm auch nach 1.200 Stunden im Dauerbetrieb nicht ab. An der Studie waren Forschungsteams aus China, Italien, der Schweiz und Deutschland beteiligt. Sie wurde in Nature Photonics veröffentlicht.
  • Energie von Ladungsträgerpaaren in Kuprat-Verbindungen
    Science Highlight
    05.11.2025
    Energie von Ladungsträgerpaaren in Kuprat-Verbindungen
    Noch immer ist die Hochtemperatursupraleitung nicht vollständig verstanden. Nun hat ein internationales Forschungsteam an BESSY II die Energie von Ladungsträgerpaaren in undotiertem La₂CuO₄ vermessen. Die Messungen zeigten, dass die Wechselwirkungsenergien in den potenziell supraleitenden Kupferoxid-Schichten deutlich geringer sind als in den isolierenden Lanthanoxid-Schichten. Die Ergebnisse tragen zum besseren Verständnis der Hochtemperatur-Supraleitung bei und könnten auch für die Erforschung anderer funktionaler Materialien relevant sein.
  • Elektrokatalyse mit doppeltem Nutzen – ein Überblick
    Science Highlight
    31.10.2025
    Elektrokatalyse mit doppeltem Nutzen – ein Überblick
    Hybride Elektrokatalysatoren können beispielsweise gleichzeitig grünen Wasserstoff und wertvolle organische Verbindungen produzieren. Dies verspricht wirtschaftlich rentable Anwendungen. Die komplexen katalytischen Reaktionen, die bei der Herstellung organischer Verbindungen ablaufen, sind jedoch noch nicht vollständig verstanden. Moderne Röntgenmethoden an Synchrotronquellen wie BESSY II ermöglichen es, Katalysatormaterialien und die an ihren Oberflächen ablaufenden Reaktionen in Echtzeit, in situ und unter realen Betriebsbedingungen zu analysieren. Dies liefert Erkenntnisse, die für eine gezielte Optimierung genutzt werden können. Ein Team hat nun in Nature Reviews Chemistry einen Überblick über den aktuellen Wissensstand veröffentlicht.