Terahertzblitze ermöglichen exakte Röntgenmessungen

Die Wissenschaftler trennen mit Hilfe eines Spiegels den<br />R&ouml;ntgenpuls (blau) vom Terahertzpuls (rot). Der R&ouml;ntgenblitz<br />tritt dabei durch ein zehn Millimeter kleines &bdquo;Loch&ldquo; in der<br />Mitte des Spiegels hindurch.

Die Wissenschaftler trennen mit Hilfe eines Spiegels den
Röntgenpuls (blau) vom Terahertzpuls (rot). Der Röntgenblitz
tritt dabei durch ein zehn Millimeter kleines „Loch“ in der
Mitte des Spiegels hindurch. © HZB/DESY

Gemeinsame Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Berlin, des Forschungszentrums DESY und der European XFEL GmbH

Wissenschaftler entwickeln eine Methode, um Prozesse mit hochintensiven ultrakurzen Röntgenpulsen bis auf wenige Femtosekunden genau zu untersuchen

Viele physikalische und chemische Vorgänge laufen in extrem kurzer Zeit und auf extrem kleinen Längenskalen ab, in der Regel in Zeiten von billiardstel Sekunden und auf Längen von milliardstel Metern. Um solche Phänomene zu untersuchen, nutzen Forscher intensive ultrakurze Röntgenblitze. Denn aus der Fotografie weiß man: Je schneller ein Vorgang abläuft, desto kürzer muss die Belichtung sein, die diesen sichtbar macht.

Forscher erzeugen solche intensiven, ultrakurzen Röntgenblitze in großen Forschungsanlagen, sogenannten Freie-Elektronen-Lasern. Eine in Hamburg und Berlin entwickelte neue Methode ermöglicht es nun die Zeitauflösung dieser Großgeräte voll auszureizen. Die Forschergruppe von DESY, HZB, der European XFEL GmbH und  des Helmholtz-Institut Jena stellt ihre Ergebnisse in der aktuellen online-Ausgabe von „Nature Photonics“ (DOI: 10.1038/NPHOTON.2010.311) vor.

Röntgenblitze zu erzeugen, die nur wenige Femtosekunden (Millardster Teil einer millonstel Sekunde) lang sind, ist seit einigen Jahren möglich. Sie können beispielsweise von Freie-Elektronen-Lasern (FEL) wie FLASH am Forschungszentrum DESY in Hamburg, LCLS in Stanford (USA) oder dem im Bau befindlichen Röntgenlaser European XFEL erzeugt werden. Tatsächliche Experimente waren aber bislang nur mit einer Auflösung von typischerweise etwa hundert Femtosekunden möglich – also zwei Größenordnungen schlechter als die erzielten Pulsdauern. Das Problem war, genau zu bestimmen, wann die Röntgenpulse im Experiment ankommen.

Eine Gruppe aus Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie (HZB), des DESY, der European XFEL GmbH und des Helmholtz-Institut Jena hat nun einen Weg gefunden, die Ankunftszeit von Röntgenpulsen mit einer Genauigkeit von weniger als zehn Femtosekunden zu messen. Die Methode basiert auf einer sogenannten Kreuzkorrelation.

Die neue Methode wurde am Freie-Elektronen-Laser FLASH für sogenannte „Pump-Probe“-Verfahren entwickelt. Dabei löst ein erster ultrakurzer Pump-Puls beispielsweise eine photochemische Reaktion aus. Ein zweiter Puls aus Röntgenlicht „fotografiert“, wie sich die Reaktion entwickelt. Forscher können nun genau bestimmen, zu welchem Zeitpunkt das Bild durch den zweiten Puls entsteht.

Die Wissenschaftler nutzen bei ihrer neuen Methode hierfür einen Nebeneffekt der Röntgenpulserzeugung: Das in FLASH beschleunigte Elektronenpaket sendet, neben dem Röntgenblitz, gleichzeitig einen intensiven Terahertzblitz aus. Die Wissenschaftler trennen beide Blitze mit Hilfe eines gelochten goldbeschichteten Spiegels voneinander. Da beide Pulse zur gleichen Zeit und vom gleichen Elektronenpaket erzeugt werden, dient der Terahertzblitz als zeitlicher „Marker“ des Röntgenlichtblitzes, der als Zeitreferenz genutzt wird. So gelang es den Forschern, bis auf sieben Femtosekunden genau zu bestimmen, wann der Röntgenlichtblitz die Probe erreicht.

Die neue Methode kann nun mit sehr geringen Modifikationen an allen bestehenden und geplanten neuen FEL-Quellen angewendet werden. In Kombination mit entsprechenden Experimenten eröffnet sie die Möglichkeit, das Potenzial dieser Großgeräte voll auszuschöpfen. Erstmals können Phänomene nun auf der relevanten Femtosekunden-Zeitskala mit Röntgenpulsen untersucht werden. Darauf haben Wissenschaftler lange gewartet.

Dr. Michael Gensch, der die Arbeiten federführend am HZB und bei DESY betreut hat, ist mittlerweile am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) tätig. Er baut dort an der Strahlungsquelle ELBE neue Experimente mit hochintensiver Terahertz-Strahlung auf.

Dr. Michael Gensch
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
Institute of Radiation Physics/Institute of Ion Beam Physics and Materials Research

m.gensch@hzdr.de, Tel: +49 351 260 2464

IH


Das könnte Sie auch interessieren

  • Einfachere Herstellung von anorganischen Perowskit-Solarzellen bringt Vorteile
    Science Highlight
    17.04.2024
    Einfachere Herstellung von anorganischen Perowskit-Solarzellen bringt Vorteile
    Anorganische Perowskit-Solarzellen aus CsPbI3 sind langzeitstabil und erreichen gute Wirkungsgrade. Ein Team um Prof. Antonio Abate hat nun an BESSY II Oberflächen und Grenzflächen von CsPbI3 -Schichten analysiert, die unter unterschiedlichen Bedingungen produziert wurden. Die Ergebnisse belegen, dass das Ausglühen in Umgebungsluft die optoelektronischen Eigenschaften des Halbleiterfilms nicht negativ beeinflusst, sondern sogar zu weniger Defekten führt. Dies könnte die Massenanfertigung von anorganischen Perowskit-Solarzellen weiter vereinfachen.
  • Spintronik: Ein neuer Weg zu wirbelnden Spin-Texturen bei Raumtemperatur
    Science Highlight
    16.04.2024
    Spintronik: Ein neuer Weg zu wirbelnden Spin-Texturen bei Raumtemperatur
    Ein Team am HZB hat an BESSY II eine neue, einfache Methode untersucht, mit der sich stabile radiale magnetische Wirbel in magnetischen Dünnschichten erzeugen lassen.
  • BESSY II: Wie das gepulste Laden die Lebensdauer von Batterien verlängert
    Science Highlight
    08.04.2024
    BESSY II: Wie das gepulste Laden die Lebensdauer von Batterien verlängert
    Ein verbessertes Ladeprotokoll könnte die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Batterien deutlich verlängern. Das Laden mit hochfrequentem gepulstem Strom verringert Alterungseffekte. Dies zeigte ein internationales Team unter der Leitung von Philipp Adelhelm (HZB und Humboldt-Universität) in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin und der Aalborg University in Dänemark. Besonders aufschlussreich waren Experimente an der Röntgenquelle BESSY II.