Vom Nanostäbchenteppich zur Solarzellen-Dünnschicht in wenigen Sekunden

Der &Uuml;bergang von der Schicht aus dichtgepackten Nanorods (links oben) in eine polykristalline Halbleiter-D&uuml;nnschicht (rechts oben) l&auml;sst sich &uuml;ber in-situ R&ouml;ntgenbeugung am  in Echtzeit beobachten. Die Intensit&auml;ten der R&ouml;ntgensignale sind in der unteren Abbildung farblich kodiert. Eine genaue Analyse der Signale verriet, dass die Umwandlung der Nanorods in Kesterit-Kristallite nur 9 bis 18 Sekunden dauert.<br />

Der Übergang von der Schicht aus dichtgepackten Nanorods (links oben) in eine polykristalline Halbleiter-Dünnschicht (rechts oben) lässt sich über in-situ Röntgenbeugung am in Echtzeit beobachten. Die Intensitäten der Röntgensignale sind in der unteren Abbildung farblich kodiert. Eine genaue Analyse der Signale verriet, dass die Umwandlung der Nanorods in Kesterit-Kristallite nur 9 bis 18 Sekunden dauert.
© R. Mainz/A. Singh

Forscherteams aus dem HZB und der University of Limerick, Irland, haben einen neuen Weg gefunden, um polykristalline Kesterit-Dünnschichten bei niedrigerer Temperatur herzustellen: Sie erzeugten zunächst einen Teppich aus geordneten Nanostäbchen mit Wurtzitstruktur. Diese Stäbchen besitzen chemisch die gleiche Zusammensetzung wie Kesterit, nur ihre Kristallstruktur ist unterschiedlich, wandelt sich aber bei Erwärmung in eine stabile Kesterit-Struktur um. An der EDDI-Beamline von BESSY II konnten die Wissenschaftler diesen Prozess in Echtzeit beobachten: Binnen weniger Sekunden bildeten sich aus den Wurtzit-Stäbchen Kesterit-Kristallite. Entscheidend war dabei nicht die Höhe der Temperatur, sondern die Heizrate: Je rascher die Wurtzit-Stäbchen erhitzt wurden, desto größer wurden die Kristallite. So gelang es Kesterit-Schichten aus fast mikrometergroßen Kristalliten zu erzeugen, welche in Dünnschicht-Solarzellen zum Einsatz kommen könnten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind nun in der Zeitschrift "Nature Communications" erschienen.

Kornbildung beim Wachstum von Kesterit-Solarzellenschichten in Echtzeit beobachtet
Als Ausgangsmaterial für die Bildung der Kesterit-Schicht dient ein „Teppich aus Nanostäbchen“: Die Chemiker um Ajay Singh und Kevin Ryan an der Universität Limerick haben mit Hilfe lösungsbasierter chemischer Verfahren hochgeordnete Schichten aus Wurtzit-Nanostäbchen hergestellt, welche exakt die gleiche Zusammensetzung wie Cu2ZnSnS4-Kesterit  besitzen. HZB-Physiker um Roland Mainz und Thomas Unold konnten nun mit Hilfe von Echtzeit-Röntgenbeugung an der EDDI-Beamline am BESSY II beobachten, wie sich durch einen Phasenübergang aus der metastabilen Wurtzitphase in die stabile Kesteritphase die makroskopisch angeordneten Nanostäbchen in Kesterit-Dünnschichten mit nahezu mikrometer-großen Kristalliten umwandeln. „Das Besondere ist, dass die Bildung der gesamten Kesterit-Schicht sehr schnell abläuft und gleichzeitig ein schnelles Kornwachstum ausgelöst wird“, sagt Mainz. Und je schneller die Proben hochgeheizt werden, desto größer werden die Kristallite. Mainz sagt: „Bei einer niedrigen Heizrate beginnt die Umwandlung von Wurtzit in Kesterit schon bei einer tieferen Temperatur, bei der sich viele kleine Kristallite bilden - statt weniger großer.  Hierbei bilden sich auch vermehrt Defekte aus. Beim schnellen Heizen ist dafür keine Zeit, die Umwandlung findet erst bei einer höheren Temperatur statt, bei der sich direkt eine defektärmere Struktur ausbildet.“

Der Vergleich der Phasenumwandlung bei langsamer und bei schneller Heizrate zeigt, dass nicht nur das Kornwachstum durch die Phasenumwandlung ausgelöst wird, sondern andersherum auch das Kornwachstum die Phasenumwandlung beschleunigt. Die HZB-Physiker haben ein Modell entwickelt, das diese Beobachtung erklären kann, und anhand von Modellrechnung die Übereinstimmung mit den gemessenen Daten überprüft.

Neuer Syntheseweg für dünne Halbleiterschichten mit kontrollierter Morphologie
Die Arbeit zeigt einen neuen Weg, um dünne mikrokristalline Schichten aus Halbleiter-Nanostrukturen ohne aufwändige Vakuumtechnik herzustellen. Kesterit-Halbleiter gelten als vielversprechende Alternative für die Chalkopyrit-Solarzellen (Cu(In,Ga)Se2), die bereits Laborwirkungsgrade über 20% erreichen. Kesterite besitzen ähnliche physikalische Eigenschaften wie Chalkopyrit-Halbleiter, kommen jedoch ohne die vergleichsweise weniger verfügbaren Elemente Indium und Gallium aus. Das neue Verfahren könnte auch für die Herstellung von mikro- und nanostrukturierten photoelektrischen Bauelementen, sowie für Halbleiterschichten aus anderen Materialien interessant sein, meint Mainz. „Wir bleiben aber an den Kesteriten dran, denn die sind im Moment wirklich ein spannendes Thema.“

Die Ergebnisse wurden in Nature communications unter der doi:10.1038/ncomms4133 publiziert

arö


Das könnte Sie auch interessieren

  • Die Zukunft von BESSY
    Nachricht
    07.03.2024
    Die Zukunft von BESSY
    Ende Februar 2024 hat ein Team am HZB einen Artikel in Synchrotron Radiation News (SRN) veröffentlicht. Darin beschreibt es die nächsten Entwicklungsziele für die Röntgenquelle sowie das Upgrade Programm BESSY II+ und die Nachfolgequelle BESSY III.

  • 14 Parameter auf einen Streich: Neues Instrument für die Optoelektronik
    Science Highlight
    21.02.2024
    14 Parameter auf einen Streich: Neues Instrument für die Optoelektronik
    Ein HZB-Physiker hat eine neue Methode entwickelt, um Halbleiter durch einen einzigen Messprozess umfassend zu charakterisieren. Der „Constant Light-Induced Magneto-Transport (CLIMAT)“ basiert auf dem Hall-Effekt und ermöglicht es, 14 verschiedene Parameter von negativen wie positiven Ladungsträgern zu erfassen. An zwölf unterschiedlichen Halbleitermaterialien demonstrierte nun ein großes Team die Tauglichkeit dieser neuen Methode, die sehr viel Arbeit spart. 
  • Natrium-Ionen-Akkus: wie Doping die Kathoden verbessert
    Science Highlight
    20.02.2024
    Natrium-Ionen-Akkus: wie Doping die Kathoden verbessert
    Natrium-Ionen-Akkus haben noch eine Reihe von Schwachstellen, die durch die Optimierung von Batteriematerialien behoben werden könnten. Eine Option ist die Dotierung des Kathodenmaterials mit Fremdelementen. Ein Team von HZB und Humboldt-Universität zu Berlin hat nun die Auswirkung von einer Dotierung mit Scandium und Magnesium untersucht. Um ein vollständiges Bild zu erhalten, hatten die Forscher*innen Messdaten an den Röntgenquellen BESSY II, PETRA III und SOLARIS gesammelt und ausgewertet. Sie entdeckten dadurch zwei konkurrierende Mechanismen, die über die Stabilität der Kathoden entscheiden.