Spins in Graphen: ausgerichtet wie die Stachelns eines Igels

Die Illustration zeigt, wie sich an den Energieflächen der Elektronen im reziproken Raum die Spins aus der Ebene herausdrehen. Dabei bildet sich eine Konfiguration, die an die Stacheln eines Igels erinnert. Illustration Thomas Splettstößer/HZB

Die Illustration zeigt, wie sich an den Energieflächen der Elektronen im reziproken Raum die Spins aus der Ebene herausdrehen. Dabei bildet sich eine Konfiguration, die an die Stacheln eines Igels erinnert. Illustration Thomas Splettstößer/HZB

HZB-Team weist fundamentale Eigenschaft des Elektronenspins in Graphen nach

Seit geraumer Zeit experimentieren HZB-Forscher mit Graphen, einem Material, das für seine besonders leicht beweglichen Elektronen berühmt ist. Sie wollen diesem Material eine weitere Eigenschaft aufprägen. Dabei handelt es sich um eine Kopplung zwischen der Bewegungsrichtung dieser Elektronen und ihrem Eigendrehimpuls, dem Spin. Die Spineigenschaft ist eine Spezialität schwerer Elemente, wie beispielsweise Gold. Graphen besteht aus Kohlenstoff und ist dafür zu leicht. Jedoch beherrscht man am HZB die Methode, Gold kontrolliert unter eine Graphen-Lage zu schieben. So können in der Tat bestimmte Spinmuster erzeugt werden, die als Rashba-Effekt bekannt wurden, bislang gelang das allerdings nur in der Ebene des Graphen.Nun ist es Dr. Andrei Varykhalov und Mitarbeitern gelungen, den Spin auch aus der Ebene herauszudrehen.

Dabei drehen sich die Spins kontinuierlich von der Ebene in die Senkrechte, eine Ausrichtung wie bei den Stacheln eines Igels. Das konnten die Forscher mit spinaufgelöster Photoemissionsspektroskopie an BESSY II nachweisen.

Igel und Anti-Igel

Tatsächlich sind solche Igel-Strukturen beispielsweise aus der Kernphysik bekannt. Es sind ganz singuläre Punkte, die eigentlich dem Verbot magnetischer Monopole nach Gauss widersprechen würden. Hier wirft Varykhalov jedoch ein, dass im Graphen alles zweifach vorhanden ist, da seine Bienenwabenstruktur aus zwei äquivalenten Atomgittern zusammengesetzt ist. Tatsächlich gibt es zu dem Igel auch eine Art Anti-Igel, die zusammen dem Monopol-Verbot Genüge tun.

Design eines Spinfilters

Dass sich die Igel aufheben, bedeutet jedoch nicht, dass sie keine physikalische Auswirkungen hätten, ganz im Gegenteil, erklärt Prof. Dr. Oliver Rader, der Leiter der Abteilung. Die Physiker haben nämlich in ihrer Arbeit ein spintronisches Bauteil vorgeschlagen, das die Igelstruktur ausnutzt, um einen sehr effizienten Spinfilter zu realisieren. Im Spinfilter werden die Spins nach rechts bzw. links abgelenkt, der resultierende Spinstrom ist prinzipiell verlustlos und könnte in der Zukunft den Energieverbrauch in der Informationstechnologie reduzieren.

Sichtbar erst durch ein Substratkristall

Der Effekt im Graphen ist vor einigen Jahren von einer Gruppe aus Budapest vorhergesagt worden. Andros Kormányos erklärt, dass der Igel und der Anti-Igel auch bei den Vorläufersystemen schon angelegt waren, jedoch einander untrennbar überlagert. Erst durch Brechung der Untergittersymmetrie, die Varykhalov durch Wahl eines Substratkristalls mit einer niedrigeren Symmetrie bewerkstelligt hat, konnte er den Igel und den Anti-Igel voneinander trennen.

Die Arbeit ist in der renommierten Zeitschrift Nature Communications am 27. Juli 2015 veröffentlicht. Die zugrundeliegende Vorhersage [1] war im Jahre 2011 bei Physical Review B erschienen.

Zur Publikation: A. Varykhalov, J. Sánchez-Barriga, D. Marchenko, P. Hlawenka, P.S. Mandal & O. Rader,
Tunable Fermi level and hedgehog spin texture in gapped graphene
NATURE COMMUNICATIONS | 6:7610 | DOI: 10.1038/ncomms8610 

[1] A. Varykhalov, J. Sánchez-Barriga, D. Marchenko, P. Hlawenka, P.S. Mandal & O. Rader,
Tunable Fermi level and hedgehog spin texture in gapped graphene
NATURE COMMUNICATIONS | 6:7610 | DOI: 10.1038/ncomms8610

[2] Rakyta, P., Kormányos, A. & Cserti, J. Effect of sublattice asymmetry and
spin-orbit interaction on out-of-plane spin polarization of photoelectrons.
Phys. Rev. B 83, 155439 (2011).

Oliver Rader

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Grüne Herstellung von Hybridmaterialien als hochempfindliche Röntgendetektoren
    Science Highlight
    08.05.2025
    Grüne Herstellung von Hybridmaterialien als hochempfindliche Röntgendetektoren
    Neue organisch-anorganische Hybridmaterialien auf Basis von Wismut sind hervorragend als Röntgendetektoren geeignet, sie sind deutlich empfindlicher als handelsübliche Röntgendetektoren und langzeitstabil. Darüber hinaus können sie ohne Lösungsmittel durch Kugelmahlen hergestellt werden, einem umweltfreundlichen Syntheseverfahren, das auch in der Industrie genutzt wird. Empfindlichere Detektoren würden die Strahlenbelastung bei Röntgenuntersuchungen erheblich reduzieren.

  • Energiespeicher: BAM, HZB und HU Berlin planen gemeinsames Berlin Battery Lab
    Nachricht
    07.05.2025
    Energiespeicher: BAM, HZB und HU Berlin planen gemeinsames Berlin Battery Lab
    Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und die Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) haben ein Memorandum of Understanding (MoU) zur Gründung des Berlin Battery Lab unterzeichnet. Das Labor wird die Expertise der drei Institutionen bündeln, um die Entwicklung nachhaltiger Batterietechnologien voranzutreiben. Die gemeinsame Forschungsinfrastruktur soll auch der Industrie für wegweisende Projekte in diesem Bereich offenstehen.
  • BESSY II: Einblick in ultraschnelle Spinprozesse mit Femtoslicing
    Science Highlight
    05.05.2025
    BESSY II: Einblick in ultraschnelle Spinprozesse mit Femtoslicing
    Einem internationalen Team ist es an BESSY II erstmals gelungen, einen besonders schnellen Prozess im Inneren eines magnetischen Schichtsystems, eines Spinventils, aufzuklären: An der Femtoslicing-Beamline von BESSY II konnten sie die ultraschnelle Entmagnetisierung durch spinpolarisierte Stromimpulse beobachten. Die Ergebnisse helfen bei der Entwicklung von spintronischen Bauelementen für die schnellere und energieeffizientere Verarbeitung und Speicherung von Information. An der Zusammenarbeit waren Teams der Universität Straßburg, des HZB, der Universität Uppsala sowie weiterer Universitäten beteiligt.