Neutronen verraten Wasserstoff in Eiweißen

Mit immer aufwendigeren Methoden wollen Forscher die feinsten Strukturen auch der lebenden Materie erkunden. So nutzen sie Synchrotronstrahlung und Neutronen, um die atomare Architektur von Proteinen zu enträtseln. Proteine (Eiweiße) sind organische Riesenmoleküle, die aus kompliziert gebauten und phantasievoll gefalteten Ketten Tausender Atome bestehen. Von der Aufklärung ihrer Strukturen auf atomarer Ebene versprechen sich die Wissenschaftler ein tieferes Verständnis der Funktion der an nahezu allen Lebensvorgängen beteiligten Proteine.

Damit will die biologische Strukturforschung auch Beiträge zur Entwicklung neuer organischer Werkstoffe, wirksamer Medikamente und zur Therapie von heute noch unheilbaren Krankheiten leisten.

Um sogar die Aufenthaltsorte einzelner Wasserstoffatome in den Proteinen bestimmen zu können, müssen Biologen, Chemiker und Physiker Bruchteile eines Millionstel Millimeters messen können. Eine besondere Methode dafür ist die sogenannte Protein-Kristallographie mit Neutronen. Dieser Technik widmet das Berliner Hahn-Meitner-Institut (HMI) in Kooperation mit dem Berliner Zentrum für Neutronenstreuung (BENSC) und dem Max-Delbrück-Zentrum für Molekularmedizin (MDC) am 25. und 26. Februar in Berlin einen Workshop. An dem Treffen sind Experten aus Frankreich, England, Deutschland, Japan und den USA beteiligt. Sie wollen neue Ergebnisse vorstellen und technische Fragen diskutieren.

Wegen des großen Aufwands wird die Protein-Kristallographie mit Neutronen bislang nur in Tokai-Mura (Japan), Grenoble (Frankreich), Los Alamos (USA), Didcot (England) und in Deutschland am Berliner Hahn-Meitner-Institut (HMI) genutzt. Große Hoffnung setzen die Wissenschaftler dabei in neuartige Neutronenlieferanten wie der geplanten Europäischen Spallationsquelle ESS. An ihrer Konzeption sind auch Forscher aus dem HMI beteiligt. In Berlin steht ihnen und Gastwissenschaftlern derzeit mit dem Forschungsreaktor BER II eine leistungsfähige konventionelle Neutronenquelle zur Verfügung.

Neutronen können viele Stoffe gut durchdringen. Als elektrisch neutrale atomare Teilchen werden sie dabei nur leicht gestreut. Bei kristallinem Material führt die Streuung zu charakteristischen Intensitätsmustern, die von Detektoren registriert werden. Nach Auswertung der Daten können die Forscher daraus die genaue Anordnung der Atome im Kristall ermitteln. In einer biologischen Substanz sind Neutronen gegenüber Wasserstoff besonders empfindlich. Für die Untersuchung dieser Substanzen ist daher die Neutronen-Methode besonders geeignet. Zudem werden die kostbaren Proben im Vergleich zur Untersuchung mit energiereicher Synchrotonstrahlung besser geschont. Wie für jede kristallographische Methode müssen die Eiweiße allerdings auch bei der Neutronen-Methode vor der Analyse nach speziellen Verfahren in ihre kristalline Form verwandelt werden.

25. und 26. Februar 2000,
Humboldt-Universität, Institut für Biologie,
Chausseestr. 117
10115 Berlin


Das könnte Sie auch interessieren

  • Neue Option, um Eigenschaften von Seltenerd-Elementen zu kontrollieren
    Science Highlight
    17.07.2024
    Neue Option, um Eigenschaften von Seltenerd-Elementen zu kontrollieren
    Die besonderen Eigenschaften von magnetischen Materialien aus der Gruppe der Seltenen Erden gehen auf Elektronen in der 4f-Schale zurück. Bislang galten die magnetischen Eigenschaften der 4f-Elektronen als kaum kontrollierbar. Nun hat ein Team von HZB, der Freien Universität Berlin und weiteren Einrichtungen erstmals gezeigt, dass durch Laserpulse 4f-Elektronen beeinflusst – und damit deren magnetische Eigenschaften verändert werden können. Die Entdeckung, die durch Experimente am EuXFEL und FLASH gelang, weist einen neuen Weg zu Datenspeichern mit Seltenen Erden.
  • HZB-Magazin lichtblick - die neue Ausgabe ist da!
    Nachricht
    09.07.2024
    HZB-Magazin lichtblick - die neue Ausgabe ist da!
    Auf der Suche nach dem perfekten Katalysator bekommt HZB-Forscher Robert Seidel nun Rückenwind – durch einen hochkarätigen ERC Consolidator Grant. In der Titelgeschichte stellen wir vor, warum die Röntgenquelle BESSY II für sein Vorhaben eine wichtige Rolle spielt.

  • BESSY II zeigt, wie sich Feststoffbatterien zersetzen
    Science Highlight
    09.07.2024
    BESSY II zeigt, wie sich Feststoffbatterien zersetzen
    Feststoffbatterien können mehr Energie speichern und sind sicherer als Batterien mit flüssigen Elektrolyten. Allerdings halten sie nicht so lange und ihre Kapazität nimmt mit jedem Ladezyklus ab. Doch das muss nicht so bleiben: Forscherinnen und Forscher sind den Ursachen bereits auf der Spur. In der Fachzeitschrift ACS Energy Letters stellt ein Team des HZB und der Justus-Liebig-Universität Gießen eine neue Methode vor, um elektrochemische Reaktionen während des Betriebs einer Feststoffbatterie mit Photoelektronenspektroskopie an BESSY II genau zu verfolgen. Die Ergebnisse helfen, Batteriematerialien und -design zu verbessern.