Zukünftige Informationstechnologien: Wärmetransport auf der Nanoskala unter die Lupe genommen

Der Laserpuls (rot) erzeugt Wärme im Dünnschichtsystem. Mit zeitaufgelösten Röntgendiffraktionsexperimenten lässt sich analysieren, wie sich die Wärme verteilt.

Der Laserpuls (rot) erzeugt Wärme im Dünnschichtsystem. Mit zeitaufgelösten Röntgendiffraktionsexperimenten lässt sich analysieren, wie sich die Wärme verteilt. © HZB/Uni Potsdam

Die Wärme wird sowohl über die Elektronen als auch die Kristallgitter verteilt. Bis zum thermischen Gleichgewicht benötigt das System hundertmal länger als erwartet.

Die Wärme wird sowohl über die Elektronen als auch die Kristallgitter verteilt. Bis zum thermischen Gleichgewicht benötigt das System hundertmal länger als erwartet. © Uni Potsdam

Ein Forscherteam aus dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und der Universität Potsdam hat den Wärmetransport in einem Modellsystem aus nanometerdünnen metallischen und magnetischen Schichten untersucht. Ähnliche Systeme sind Kandidaten für künftige hocheffiziente Datenspeicher, die durch Laserpulse lokal erhitzt und neu beschrieben werden können (Heat-Assisted Magnetic Recording). Experimente mit kurzen Röntgenpulsen zeigten nun, dass sich in dem Modellsystem die Wärme hundertmal langsamer als erwartet verteilt. Die Ergebnisse sind in Nature Communications publiziert.

Alle Metalle leiten Wärme üblicherweise hervorragend: Durch die frei beweglichen Elektronen verteilt sich lokale Hitze fast blitzschnell. Deutlich langsamer leiten isolierende Materialien Wärme, die nicht über freie Elektronen verfügen, sondern allein auf Gitterschwingungen angewiesen sind. Nun hat ein Team um Prof. Dr. Matias Bargheer von der Universität Potsdam, der am HZB eine Gemeinsame Forschungsgruppe zu ultraschneller Dynamik leitet, den Wärmetransport in einem metallisch-magnetischen Modellsystem genau unter die Lupe genommen.

Gold auf Nickel

Das Modellsystem besteht aus einer nanometerdünnen ferromagnetischen Nickelschicht (12,4 nm), die auf einem Magnesiumoxid-Substrat aufgebracht wurde. Darüber wurde eine noch dünnere Schicht Gold (5,6 nm) abgeschieden. Mit einem ultrakurzen Laserpuls (50 Femtosekunden) brachten die Physiker lokal Wärme in das Modellsystem und ermittelten mit extrem kurzen Röntgenpulsen (200 Femtosekunden) zeitaufgelöst, wie sich die Wärme in den beiden Nanoschichten verteilte. Der erste Befund: Bis zum thermischen Gleichgewicht braucht das Modellsystem nicht wie erwartet etwa eine Pikosekunde sondern hundertmal so lange.

Wärmetransport untersucht

Die zeitaufgelösten Messungen zeigten, was genau geschieht: „Obwohl der Laser zunächst die Goldschicht trifft, bleibt das Kristallgitter des Goldes kühl. Fast 90 Prozent der Energie wird an die Nickel-Elektronen weitergeleitet und dort ins Kristallgitter eingebracht“, berichtet Bargheer. Weil das Elektronensystem im Nickel sehr viel stärker an die Gitterschwingungen koppelt als im Gold, nimmt das Nickel-Kristallgitter die Wärme von den Nickel-Elektronen auf. Das Nickel-Gitter ist jedoch ein schlechter Wärmeleiter und gibt kaum Energie an das Gold-Gitter ab. Dies gelingt nur über einen Umweg: Denn mit der Zeit nehmen Elektronen aus dem Gold Wärmeenergie aus dem Nickelkristallgitter auf und regen damit wiederum Gold-Gitterschwingungen an, bis das thermische Gleichgewicht erreicht ist.

„Wir haben mit diesem Versuchsaufbau zeigen können, dass es sich lohnt, solche Transportprozesse zeitaufgelöst zu analysieren. Deshalb freuen wir uns sehr, dass wir solche Versuche bald auch an der sehr viel mächtigeren Röntgenquelle BESSY II machen können, die demnächst zu BESSY-VSR ausgebaut wird und dann zeitgleich auch sehr kurze, intensive Röntgenpulse anbietet“, sagt Bargheer.

Ausblick: neue Datenspeicher

Künftige Datenspeicher, die auf dem so genannten wärmegestützten magnetischen Speichern (Heat-Assisted Magnetic Recording oder HAMR) basieren, können mit Laserpulsen lokal erhitzt und überschrieben werden. Mit einem vertieften Verständnis der Transportvorgänge könnten solche Systeme so entwickelt werden, dass sie mit minimaler Energie auskommen.

Die Experimente fanden an der Universität Potsdam statt, die Proben haben Partner an der Universität Regensburg hergestellt, außerdem waren an der Arbeit Gruppen der Université Lorraine, Nancy, Frankreich und vom Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA beteiligt.

 

Zur Publikation in Nature communications (2018): Layer specific observation of slow thermal equilibration in ultrathin metallic nanostructures by femtosecond x-ray diffraction. J. Pudell, A. A. Maznev, M. Herzog, M. Kronseder, C. Back, G. Malinowski, A. von Reppert, & M. Bargheer.

DOI: 10.1038/s41467-018-05693-5

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Langzeit-Stabilität von Perowskit-Solarzellen deutlich gesteigert
    Science Highlight
    07.11.2025
    Langzeit-Stabilität von Perowskit-Solarzellen deutlich gesteigert
    Perowskit-Solarzellen sind kostengünstig in der Herstellung und liefern viel Leistung pro Fläche. Allerdings sind sie bisher noch nicht stabil genug für den Langzeit-Einsatz. Nun hat ein internationales Team unter der Leitung von Prof. Dr. Antonio Abate durch eine neuartige Beschichtung der Grenzfläche zwischen Perowskitschicht und dem Top-Kontakt die Stabilität drastisch erhöht. Dabei stieg der Wirkungsgrad auf knapp 27 Prozent, was dem aktuellen state-of-the-art entspricht. Dieser hohe Wirkungsgrad nahm auch nach 1.200 Stunden im Dauerbetrieb nicht ab. An der Studie waren Forschungsteams aus China, Italien, der Schweiz und Deutschland beteiligt. Sie wurde in Nature Photonics veröffentlicht.
  • Energie von Ladungsträgerpaaren in Kuprat-Verbindungen
    Science Highlight
    05.11.2025
    Energie von Ladungsträgerpaaren in Kuprat-Verbindungen
    Noch immer ist die Hochtemperatursupraleitung nicht vollständig verstanden. Nun hat ein internationales Forschungsteam an BESSY II die Energie von Ladungsträgerpaaren in undotiertem La₂CuO₄ vermessen. Die Messungen zeigten, dass die Wechselwirkungsenergien in den potenziell supraleitenden Kupferoxid-Schichten deutlich geringer sind als in den isolierenden Lanthanoxid-Schichten. Die Ergebnisse tragen zum besseren Verständnis der Hochtemperatur-Supraleitung bei und könnten auch für die Erforschung anderer funktionaler Materialien relevant sein.
  • Elektrokatalyse mit doppeltem Nutzen – ein Überblick
    Science Highlight
    31.10.2025
    Elektrokatalyse mit doppeltem Nutzen – ein Überblick
    Hybride Elektrokatalysatoren können beispielsweise gleichzeitig grünen Wasserstoff und wertvolle organische Verbindungen produzieren. Dies verspricht wirtschaftlich rentable Anwendungen. Die komplexen katalytischen Reaktionen, die bei der Herstellung organischer Verbindungen ablaufen, sind jedoch noch nicht vollständig verstanden. Moderne Röntgenmethoden an Synchrotronquellen wie BESSY II ermöglichen es, Katalysatormaterialien und die an ihren Oberflächen ablaufenden Reaktionen in Echtzeit, in situ und unter realen Betriebsbedingungen zu analysieren. Dies liefert Erkenntnisse, die für eine gezielte Optimierung genutzt werden können. Ein Team hat nun in Nature Reviews Chemistry einen Überblick über den aktuellen Wissensstand veröffentlicht.