HZB koordiniert europäische Kooperation zur Entwicklung von Wirkstoffen gegen Corona

Das MX-Team an BESSY II ist auf die Entschlüsselung von Proteinstrukturen spezialisiert. Damit lässt sich auch die Entwicklung von Medikamenten gegen COVID-19 beschleunigen.

Das MX-Team an BESSY II ist auf die Entschlüsselung von Proteinstrukturen spezialisiert. Damit lässt sich auch die Entwicklung von Medikamenten gegen COVID-19 beschleunigen. © HZB

Die Röntgenstrukturanalyse an BESSY II ermöglicht die systematische Prüfung von vielen tausend Molekülen, die die Reproduktion und Virulenz von SARS-CoV2-Viren hemmen könnten. Nun hat ein Team am HZB mit Partnern aus Österreich und der Tschechischen Republik das Projekt NECESSITY aufgesetzt, um im Hochdurchsatzverfahren mehr als 8000 Verbindungen zu untersuchen und Wirkstoffe gegen COVID-19 zu entwickeln.

Die COVID-19-Pandemie ist noch lange nicht beendet. Trotz der raschen Entwicklung von Impfstoffen ist es aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich, alle Menschen schnell genug durch eine Impfung dauerhaft zu schützen. Doch bisher gibt es kaum wirksamen Medikamente für schwer an COVID-19 erkrankte Patienten. Die Therapie beschränkt sich im Wesentlichen auf die Verabreichung von Steroidmedikamenten zur Kontrolle der Immunreaktion und die künstliche Beatmung. 

An der Lichtquelle BESSY II, die das HZB betreibt, steht mit der Strukturanalyse von Makromolekülen ein fantastisches Werkzeug zur Verfügung, um die Entwicklung von wirksamen Substanzen gegen das SARS-CoV2-Virus zu beschleunigen. Hier wurde Anfang 2020 erstmals die dreidimensionale Struktur der so genannten Hauptprotease des SARS-CoV2-Virus entschlüsselt. Dieses Enzym ist für die Virusreproduktion unverzichtbar. Die Kenntnis dieser Struktur grenzt das Spektrum an möglichen Substanzen entscheidend ein – denn solche Substanzen müssen wie ein Schlüssel ins Schloss passen, damit sie die Funktion des Enzyms blockieren können.

Es ist jedoch nicht ausreichend nur dieses eine Ziel zu untersuchen. Deshalb werden im Rahmen des neuen Projekts NECESSITY, das der HZB-Forscher Dr. Christian Feiler initiert hat, mehrere virale Zielproteine adressiert. Gemeinsam mit Partnern der Medizinischen Universität Innsbruck, Österreich, und der Universität Olomouc, Tschechische Republik, wollen die Berliner Forscher*innen die Entwicklung von Medikamenten systematisch vorantreiben: Sie werden im Hochdurchsatzverfahren mehr als 8000 Verbindungen an den MX-Beamlines von BESSY II untersuchen und daraus Substanzen identifizieren, die an die Hauptprotease des SARS-CoV-2 oder an weitere Zielproteine andocken könnten.

Diese Substanzen stammen aus einer einzigartigen Bibliothek, die die Gruppe um Dr. Vladimír Kryštof, Palacký University Olomouc erstellt hat. Alle Substanzen sind bereits für die Behandlung anderer Erkrankungen zugelassen oder befinden sich in klinischen Phasen. Sollten sich daraus Treffer ergeben, wäre eine besonders schnelle Entwicklung von Medikamenten gegen COVID-19 möglich.

Prof. Dr. Klaus Scheffzek und sein Team an der Medizinischen Universität in Innsbruck können die Trefferverbindungen mit biophysikalischen Methoden eingehend untersuchen und erste virologische Studien initiieren. Als Berater und Partner sind auch Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin sowie weitere Experten mit an Bord.

„Im Projekt NECESSITY bringen wir Expertise aus sehr unterschiedlichen Bereichen zusammen“, sagt Feiler, der das Projekt auch koordiniert. „Wir haben gemeinsam einen hocheffizienten interdisziplinären Arbeitsablauf geplant, um schnellstmöglich antivirale Substanzen zu identifizieren, die sich als wirksame Medikamente gegen COVID-19 einsetzen lassen.“ 

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie den entsprechenden Förderorganisationen in Österreich und der Tschechischen Republik für 36 Monate mit insgesamt knapp 800.000 Euro gefördert.

 

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Science Highlight
    21.10.2025
    BESSY II: Phosphorketten – ein 1D-Material mit 1D elektronischen Eigenschaften
    Erstmals ist es einem Team an BESSY II gelungen, experimentell eindimensionale elektronische Eigenschaften in einem Material nachzuweisen. Die Proben bestanden aus kurzen Ketten aus Phosphoratomen, die sich auf einem Silbersubstrat selbst organisiert in bestimmten Winkeln bilden. Durch eine raffinierte Auswertung gelang es, die Beiträge von unterschiedlich ausgerichteten Ketten voneinander zu trennen und zu zeigen, dass die elektronischen Eigenschaften tatsächlich einen eindimensionalen Charakter besitzen. Berechnungen zeigten darüber hinaus, dass ein spannender Phasenübergang zu erwarten ist. Während das Material aus einzelnen Ketten halbleitend ist, wäre eine sehr dichte Kettenstruktur metallisch.
  • Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Science Highlight
    20.10.2025
    Ein innerer Kompass für Meereslebewesen im Paläozän
    Vor Jahrmillionen produzierten einige Meeresorganismen mysteriöse Magnetpartikel von ungewöhnlicher Größe, die heute als Fossilien in Sedimenten zu finden sind. Nun ist es einem internationalen Team gelungen, die magnetischen Domänen auf einem dieser „Riesenmagnetfossilien” mit einer raffinierten Methode an der Diamond-Röntgenquelle zu kartieren. Ihre Analyse zeigt, dass diese Partikel es den Organismen ermöglicht haben könnten, winzige Schwankungen sowohl in der Richtung als auch in der Intensität des Erdmagnetfelds wahrzunehmen. Dadurch konnten sie sich verorten und über den Ozean navigieren. Die neue Methode eignet sich auch, um zu testen, ob bestimmte Eisenoxidpartikel in Marsproben tatsächlich biogenen Ursprungs sind.
  • Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Science Highlight
    16.10.2025
    Was vibrierende Moleküle über die Zellbiologie verraten
    Mit Infrarot-Vibrationsspektroskopie an BESSY II lassen sich hochaufgelöste Karten von Molekülen in lebenden Zellen und Zellorganellen in ihrer natürlichen wässrigen Umgebung erstellen, zeigt eine neue Studie von einem Team aus HZB und Humboldt-Universität zu Berlin. Die Nano-IR-Spektroskopie mit SNOM an der IRIS-Beamline eignet sich, um winzige biologische Proben zu untersuchen und Infrarotbilder der Molekülschwingungen mit Nanometer-Auflösung zu erzeugen. Es ist sogar möglich, 3D-Informationen, also Infrarot-Tomogramme, aufzuzeichnen. Um das Verfahren zu testen, hat das Team Fibroblasten auf einer hochtransparenten SiC-Membran gezüchtet und in vivo untersucht. Die Methode ermöglicht neue Einblicke in die Zellbiologie.