„Grüne“ Chemie: Einblicke in die mechanochemische Synthese an BESSY II

Fein vermahlene Pulver können auch ohne Lösungsmittel  zum gewünschten Produkt reagieren. Das ist der Ansatz der Mechanochemie.

Fein vermahlene Pulver können auch ohne Lösungsmittel  zum gewünschten Produkt reagieren. Das ist der Ansatz der Mechanochemie. © F. Emmerling/BAM

In einer Kugelmühle werden die Reagenzien vermahlen, dabei kann die Bildung von neuen Produkten und Phasen über die Röntgenstrukturanalyse an BESSY II verfolgt werden.

In einer Kugelmühle werden die Reagenzien vermahlen, dabei kann die Bildung von neuen Produkten und Phasen über die Röntgenstrukturanalyse an BESSY II verfolgt werden. © F. Emmerling/BAM

In der Mechanochemie werden die Reagenzien fein gemahlen und gemischt, so dass sie sich auch ohne Lösungsmittel zum gewünschten Produkt verbinden. Durch den Verzicht auf Lösungsmittel könnte diese Technologie in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur "grünen", umweltfreundlichen Herstellung von Chemikalien leisten. Allerdings gibt es noch große Lücken im Verständnis der Schlüsselprozesse, die bei der mechanischen Behandlung und Reaktion ablaufen. Ein internationales Team unter Leitung der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) hat nun an BESSY II eine Methode entwickelt, um diese Prozesse in situ mit Röntgenstreuung zu beobachten. 

Chemische Reaktionen basieren oft auf dem Einsatz von Lösungsmitteln, die die Umwelt belasten. Doch viele Reaktionen können auch ohne Lösungsmittel ablaufen. Dies ist der Ansatz der Mechanochemie, bei dem Reagenzien sehr fein gemahlen und miteinander vermischt werden, so dass sie miteinander reagieren und das gewünschte Produkt bilden.  Der mechanochemische Ansatz ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern möglicherweise auch billiger als klassische Synthesemethoden. Die International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) zählt die Mechanochemie daher zu den 10 chemischen Innovationen, die unsere Welt verändern werden. Das volle Potenzial dieser Technologie kann jedoch erst dann ausgeschöpft werden, wenn die Vorgänge bei der mechanischen Behandlung genauer verstanden werden, so dass man sie präzise steuern und kontrollieren kann.

Doch was genau bei der mechanischen Behandlung passiert und wie die Reaktionen ablaufen, ist schwierig zu untersuchen. Traditionell wird dazu die Reaktion gestoppt und das Material zur Analyse "ex situ" aus dem Reaktor entnommen. Viele Systeme setzen ihre Umwandlung jedoch auch nach dem Stoppen des Mahlvorgangs fort. Solche Reaktionen können nur durch direkte Untersuchung der Reaktion in situ während der mechanischen Behandlung untersucht werden.

Zeitaufgelöstes in situ Monitoring

Nun hat ein internationales Team mit Dr. Adam Michalchuk und Dr. Franziska Emmerling von der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) sowie Teams der Universität Cambridge und der Universität Parma an der μSpot-Beamline von BESSY II eine Methode entwickelt, um in situ und während der mechanischen Behandlung Einblicke zu gewinnen.

Dazu nutzte das Team eine Kombination aus miniaturisierten Mahlbechern in Verbindung mit Innovationen in der Röntgenpulverdiffraktometrie und modernsten Analysestrategien, um die Qualität der Daten aus dem zeitaufgelösten in situ Monitoring (TRIS) deutlich zu erhöhen.

Winzigste Probenmengen

"Selbst mit außergewöhnlich kleinen Probenmengen erhalten wir eine genaue Zusammensetzung und Struktur jeder Phase im Verlauf der Reaktion", sagt Michalchuk. Sogar mit nur wenigen Milligramm waren gute Ergebnisse möglich. Darüber hinaus können sie die Kristallgröße und andere wichtige Parameter bestimmen. Diese Strategie lässt sich auf alle chemischen Spezies anwenden, ist einfach zu implementieren und liefert selbst mit einer Synchrotronquelle niedriger Energie hochwertige Beugungsdaten.

„Dies bietet einen direkten Weg zur mechanochemischen Untersuchung von Reaktionen mit knappen, teuren oder toxischen Verbindungen“, sagt Emmerling.

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Schlüsseltechnologie für eine Zukunft ohne fossile Energieträger
    Interview
    21.08.2025
    Schlüsseltechnologie für eine Zukunft ohne fossile Energieträger
    Im Juni und Juli 2025 verbrachte der Katalyseforscher Nico Fischer Zeit am HZB. Es war sein „Sabbatical“, für einige Monate war er von seinen Pflichten als Direktor des Katalyse-Instituts in Cape Town entbunden und konnte sich nur der Forschung widmen. Mit dem HZB arbeitet sein Institut an zwei Projekten, die mit Hilfe von neuartigen Katalysatortechnologien umweltfreundliche Alternativen erschließen sollen. Mit ihm sprach Antonia Rötger.

  • 5000. Patient in der Augentumortherapie mit Protonen behandelt
    Nachricht
    19.08.2025
    5000. Patient in der Augentumortherapie mit Protonen behandelt
    Seit mehr als 20 Jahren bieten die Charité – Universitätsmedizin Berlin und das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) gemeinsam die Bestrahlung von Augentumoren mit Protonen an. Dafür betreibt das HZB einen Protonenbeschleuniger in Berlin-Wannsee, die medizinische Betreuung der Patienten erfolgt durch die Charité. Anfang August wurde der 5000. Patient behandelt.
  • Iridiumfreie Katalysatoren für die saure Wasserelektrolyse untersucht
    Science Highlight
    13.08.2025
    Iridiumfreie Katalysatoren für die saure Wasserelektrolyse untersucht
    Wasserstoff wird künftig eine wichtige Rolle spielen, als Brennstoff und als Rohstoff für die Industrie. Um jedoch relevante Mengen an Wasserstoff zu produzieren, muss Wasserelektrolyse im Multi-Gigawatt-Maßstab machbar werden. Ein Engpass sind die benötigten Katalysatoren, insbesondere Iridium ist ein extrem seltenes Element. Eine internationale Kooperation hat daher Iridiumfreie Katalysatoren für die saure Wasserelektrolyse untersucht, die auf dem Element Kobalt basieren. Durch Untersuchungen, unter anderem am LiXEdrom an der Berliner Röntgenquelle BESSY II, konnten sie Prozesse bei der Wasserelektrolyse in einem Kobalt-Eisen-Blei-Oxid-Material als Anode aufklären. Die Studie ist in Nature Energy publiziert.