Schriftrollen aus buddhistischem Schrein an BESSY II virtuell entrollt

Der entrollte Streifen ist etwas länger als 80 cm. Im entrollten Band erscheint „Om mani padme hum”,

Der entrollte Streifen ist etwas länger als 80 cm. Im entrollten Band erscheint „Om mani padme hum”, © DOI: 10.1016/j.culher.2025.06.009

Das Bild links zeigt das Schriftröllchen bei der Röntgenuntersuchung an der BAMline von BESSY II. Rechts ist der rekonstruierte Querschnitt des Röllchens zu sehen. Tintenspuren, die Metall enthalten, erscheinen hell, während das Papier grau und die Luft dunkelgrau dargestellt ist.

Das Bild links zeigt das Schriftröllchen bei der Röntgenuntersuchung an der BAMline von BESSY II. Rechts ist der rekonstruierte Querschnitt des Röllchens zu sehen. Tintenspuren, die Metall enthalten, erscheinen hell, während das Papier grau und die Luft dunkelgrau dargestellt ist. © DOI: 10.1016/j.culher.2025.06.009

Drei winzige Schriftrollen mit Längen zwischen 3 und 5 Zentimetern wurden im Inneren des Schreins gefunden. Sie sind in Seide gewickelt und verklebt.

Drei winzige Schriftrollen mit Längen zwischen 3 und 5 Zentimetern wurden im Inneren des Schreins gefunden. Sie sind in Seide gewickelt und verklebt. © Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum / Martin Franken.

In der mongolischen Sammlung des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin befindet sich ein einzigartiger Gungervaa-Schrein. Der Schrein enthält auch drei kleine Röllchen aus eng gewickelten langen Streifen, die in Seide gewickelt und verklebt sind. Ein Team am HZB konnte die Schrift auf den Streifen teilweise sichtbar machen, ohne die Röllchen durch Aufwickeln zu beschädigen. Mit 3D-Röntgentomographie erstellten sie eine Datenkopie des Röllchens und verwendeten im Anschluss ein mathematisches Verfahren, um den Streifen virtuell zu entrollen. Das Verfahren wird auch in der Batterieforschung angewandt.

Der Buddhismus in der Mongolei hat eigene Traditionen entwickelt, die mit der nomadischen Kultur zusammenhängen. So besaßen viele Familien einen kleinen Schrein, den sie überallhin mitnehmen konnten. Solche Schreine enthielten neben Statuen, Bildnissen und Schmuckobjekten manchmal auch Reliquien und eng gewickelte, kleine Schriftrollen mit Gebetsformeln, so genannte Dharanis. In den Jahren der Revolution zwischen 1921 und 1930 wurden diese kulturelle Praxis nahezu ausradiert und viele Schreine vernichtet.

Einer dieser Schreine war jedoch über verschlungene Wege nach Deutschland gelangt und im Magazin des Ethnologischen Museums aufbewahrt worden. Über seine Herkunft war kaum etwas bekannt. Nichts war mehr an seinem Platz in diesem Kasten, Stoffblumen, Reliquien, kleine Statuen und drei kleine Röllchen lagen wild durcheinander, als Birgit Kantzenbach, Restauratorin am Ethnologischen Museum, sich vor einigen Jahren an die Erforschung des Schreins machte. Zunächst reiste sie in die Mongolei. „Ein Objekt an sich bedeutet immer nur das, was Menschen in ihm sehen, das ist das Wichtige“, sagt sie. Dann wandte sie sich an den HZB-Physiker Tobias Arlt, um die kleinen, in Seide gewickelten Schriftröllchen zu untersuchen.

Zerstörungsfreie Untersuchung

Noch bis vor wenigen Jahren hätte man solche Röllchen einfach ausgepackt und entrollt, um zu sehen, ob sie beschriftet sind. Dabei besteht jedoch das Risiko, das Material zu beschädigen und irreversibel zu verändern. Tobias Arlt durchleuchtete die Dharani-Rollen an der Tomographie-Station der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) an BESSY II. „Die hoch aufgelösten 3D-Bilder zeigen, dass es etwa 50 Wicklungen in jedem Röllchen gibt, da wurden Streifen von mehr als 80 Zentimetern sehr eng und sorgfältig gewickelt“, sagt Arlt.

Entrollt wird die digitale Kopie

Aus den 3D-Daten der gerollten Probe konnte er mit einem mathematischen Verfahren aus dem Konrad-Zuse-Institut und der Software Amira den Streifen virtuell entrollen. Ursprünglich waren dafür lange Rechenzeiten erforderlich, inzwischen geht es mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz erheblich schneller. „Und wir optimieren diesen komplexen Prozess des virtuellen Entrollens immer weiter“, sagt Arlt: „Wir nutzen diese Methode auch viel in unserer eigenen Forschung, zum Beispiel, um Veränderungen in eng gewickelten oder gefalteten Batterien zu analysieren.“

Ergebnis: Das Mantra des Mitgefühls

Tatsächlich zeigten sich auf den virtuell entrollten Streifen auch Spuren von Tinte. „Das ist interessant, da chinesische Tinte traditionell aus einer Mischung aus Ruß und tierischem Leim besteht, hier wurde aber offenbar Tinte verwendet, die Metallpartikel enthielt“, sagt Kantzenbach. Die Schriftzeichen sind tibetisch, die Sprache jedoch ist Sanskrit, eine Kombination, die überrascht hat. Zu sehen ist das bekannte Mantra für umfassendes Mitgefühl aus dem tibetischen Buddhismus: „Om mani padme hum“.

Ausstellung im Humboldt-Forum:

Der mongolische Gungervaa-Schrein ist noch bis zum 1.6.2026 in der Ausstellung „Restaurierung im Dialog“ im Berliner Humboldt Forum zu bewundern. Die Ausstellung im Humboldt Forum ist kostenlos zu besichtigen. Es bestehen Überlegungen, den Schrein anschließend in der Mongolei zu zeigen.

Hörtipp:

Die Restauratorin und Ethnologin Birgit Kantzenbach ist in die Mongolei gefahren und hat dort mit Menschen gesprochen, denen der Schrein etwas bedeutet. Als Übersetzerin mit dabei war die mongolische Kunsthistorikerin Dulamjav (Duka) Amarsaikan. Im Rahmen des Podcasts „Gegen die Gewohnheit“ der Initiative „Das Kollaborative Museum“ des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst ist eine Folge über den Schrein, seine Herkunft, die Reise und das Restaurieren entstanden.

https://www.smb.museum/online-angebote/detail/gegen-die-gewohnheit-der-gungervaa-ein-mongolischer-schrein/

 

arö

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