• Marchenko, Dmitry: Rashba effect on Dirac fermions in graphene. , Universität Potsdam, 2013

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Abstract:
Graphen ist eigentlich eine lange bekannte Form des Kohlenstoffs, deren elektronische Struktur bereits 1947 berechnet wurde und die auf Nickel-Einkristallen schon in den Siebzigerjahren hergestellt wurde. Ber?hmt wurde Graphen, nachdem Andrei Geim und Konstantin Novoselov 2004 eine mikromechanische Spaltmethode zur Herstellung von frei tragendem Graphen vorgeschlagen haben. Sie konnten zeigen, dass die Elektronen im Graphen sich eher wie Licht verhalten als wie massive Teilchen, und erhielten 2010 den Physik-Nobelpreis "für grundlegende Experimente am zweidimensionalen Material Graphen". BeimRashba-Effekt handelt es sich umeine Ausprägung der Spin-Bahn-Wechselwirkung. Beide beschreiben die Energieunterschiede, die ein Elektron zwischen zwei verschiedenen Orientierungen von Drehimpulsen erfährt. Dreht sich das Elektron im selben Sinne um sich selbst wie um den Kern des Atoms, in diesem Fall des Kohlenstoffs, nimmt es eine andere Energie an als in dem Falle, dass diese beiden Drehungen einander entgegen gerichtet sind. Dieser für die Atomphysik wesentliche Effekt wurde von Rashba für zweidimensionale Elektronensysteme, wie Graphen eines ist, beschrieben. Spin-Bahn-Wechselwirkung und Rashba-Effekt spielen eine wichtige Rolle bei der Überführung der gegenwärtigen Elektronik, die die Ladung der Elektronen nutzt, in eine Spintronik, die auf dem Spin der Elektronen basiert. Bisher wird Graphen vor allem im Hinblick auf den Transport von Ladung untersucht, denn in der Spintronik wäre es zwar in der Lage, einen Spinstrom verlustarm zu transportieren, könnte aber diesen Spinstrom kaum beeinflussen, da es eine äußerst geringe Spin-Bahn-Wechselwirkung besitzt. DasWesen des Rashba-Effekts ist die Kontrolle der Spin-Bahn-Wechselwirkung durch äußeren Einfluss. Auf dieser Grundlage wird in der gegenwärtigen Arbeit für verschiedene Systeme die Spin-Bahn-Aufspaltung mit der Methode der spin- und winkelaufgelösten Photoelektronenspektroskopie gemessen. Hierzu wird das Graphen auf verschiedene Arten kristallin auf Einkristalle aufgebracht und mit Beugungsmethoden und mikroskopischen Methoden strukturell untersucht. Zunächst wird gezeigt, dass Graphen in Kontakt mit leichteren Elementen auf Siliziumkarbid und auf Silber keine hohe Spin-Bahn-Wechselwirkung zeigt. Dieser Befund bleibt auch auf Nickel und Kobalt derselbe. Allerdings gelingen zwei überraschende Entdeckungen. Zum einen wird Nickel in der Literatur als Prototyp eines Substrats angesehen, auf dem die Elektronen des Graphen ihr lichtartiges Verhalten verlieren und massiv werden. Es wird gezeigt, dass das nicht der Fall ist und sich ein perfekter sogenannter Dirac-Kegel in der Photoelektronenspektroskopie zeigt. Da Nickel und Kobalt ferromagnetisch sind, ergibt sich nun die Möglichkeit, die Spins im Graphen auf ferromagnetische Weise, die grundsätzlich verschieden von der Spin-Bahn- Wechselwirkung ist, auszurichten. Das wird auf Kobaltsubstrat nachgewiesen. Das Hauptergebnis der Arbeit ist die Entdeckung einer um vier Größenordnungen erhöhten Spin-Bahn-Aufspaltung von Graphen, wenn es in Kontakt mit Gold tritt. Um diesen experimentellen Befund zu erklären, schließen sich aufwendige elektronische und strukturelle Untersuchungen an. Dass ein solcher riesiger Rashba-Effekt in Graphen auch von anderen Elementen, die ähnlich schwer wie Gold sind, erzeugt werden kann und auf Hybridisierung beruht, wird schließlich in einer abschließenden Untersuchung von Graphen auf Iridium gezeigt. Dieses System unterscheidet sich in struktureller Hinsicht von Graphen auf Au, und neue Strukturen werden im Rahmen dieser Arbeit erstmals erklärt. Hier wird das das Zusammenspiel von Struktur, elektronischer Wechselwirkung mit dem Substrat und induzierter Rashba-artiger Spin-Bahn-Wechselwirkung besonders deutlich.