Dynamik in 1D-Spinketten neu aufgeklärt

Die Daten aus der Neutronenstreuung (links) geben Auskunft über absorbierte Energien im reziproken Raum. Mit der neuen Auswertung war es möglich, Aussagen über neue magnetische Zustände und deren zeitliche Entwicklung im Realraum zu erhalten (rechts). Die Farben Blau und Rot kennzeichnen die beiden entgegengesetzten Spinrichtungen.

Die Daten aus der Neutronenstreuung (links) geben Auskunft über absorbierte Energien im reziproken Raum. Mit der neuen Auswertung war es möglich, Aussagen über neue magnetische Zustände und deren zeitliche Entwicklung im Realraum zu erhalten (rechts). Die Farben Blau und Rot kennzeichnen die beiden entgegengesetzten Spinrichtungen. © HZB

Die Neutronenstreuung gilt als die Methode der Wahl, um magnetische Strukturen und Anregungen in Quantenmaterialien zu untersuchen. Nun hat die Auswertung von Messdaten aus den 2000er Jahren mit neuen Methoden erstmals wesentlich tiefere Einblicke in ein Modellsystem - die 1D-Heisenberg-Spinketten - geliefert. Damit steht ein neuer Werkzeugkasten für die Erforschung zukünftiger Quantenmaterialien zur Verfügung.

Kalium-Kupfer-Fluorid KCuF3 gilt als das einfachste Modellmaterial für eine sogenannte Heisenberg-Quantenspinkette: Die Spins wechselwirken mit ihren Nachbarn antiferromagnetisch entlang einer einzigen Richtung (eindimensional) und unterliegen den Gesetzen der Quantenphysik.

"Wir haben die Messungen an diesem einfachen Modellsystem an der Spallationsneutronenquelle ISIS schon vor einiger Zeit durchgeführt, als ich noch Postdoc war", sagt Prof. Bella Lake, die das HZB-Institut Quantenphänomene in neuen Materialien leitet. "Unsere Ergebnisse, die wir 2005, 2013 und erneut 2021 veröffentlicht haben, haben wir  jeweils mit neuen Theorien verglichen", sagt sie. Mit neuen und erweiterten Methoden ist es einem Team um Prof. Alan Tennant und Dr. Allen Scheie nun gelungen, deutlich tiefere Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen den Spins und deren räumliche und zeitliche Entwicklung zu gewinnen.

Mitreissende Spin-Dynamik

"Bei der Neutronenstreuung stößt man einen Spin so an, dass er umkippt. Dadurch entsteht eine Dynamik, ähnlich wie ein Kielwasser, wenn ein Schiff durch das Wasser fährt, das seine Nachbarn und deren Nachbarn beeinflussen kann", erklärt Tennant.

"Neutronenstreuungsdaten werden als Funktion der Energie und des Wellenvektors gemessen", sagt Scheie. "Unser Durchbruch bestand darin, die räumliche und zeitliche Entwicklung der Spins mit mathematischen Methoden wie der Back-Fourier-Transformation abzubilden." In Kombination mit anderen theoretischen Methoden erhielten die Physiker Informationen über die Wechselwirkungen zwischen den Spinzuständen und deren Dauer und Reichweite sowie Einblicke in die sogenannte Quantenkohärenz.

Neuer Werkzeugkasten

Die Arbeit bietet damit einen neuen Werkzeugkasten für die Analyse von Neutronenstreudaten, um das Verständnis von technologisch relevanten Quantenmaterialien zu vertiefen.

arö


Das könnte Sie auch interessieren

  • Gefriergussverfahren – Eine Anleitung für komplex strukturierte Materialien
    Science Highlight
    25.04.2024
    Gefriergussverfahren – Eine Anleitung für komplex strukturierte Materialien
    Gefriergussverfahren sind ein kostengünstiger Weg, um hochporöse Materialien mit hierarchischer Architektur, gerichteter Porosität und multifunktionalen inneren Oberflächen herzustellen. Gefriergegossene Materialien eignen sich für viele Anwendungen, von der Medizin bis zur Umwelt- und Energietechnik. Ein Beitrag im Fachjournal „Nature Reviews Methods Primer“ vermittelt nun eine Anleitung zu Gefriergussverfahren, zeigt einen Überblick, was gefriergegossene Werkstoffe heute leisten, und skizziert neue Einsatzbereiche. Ein besonderer Fokus liegt auf der Analyse dieser Materialien mit Tomoskopie.

  • Sauberer Brennstoff zum Kochen für das südliche Afrika hat große Wirkung
    Nachricht
    19.04.2024
    Sauberer Brennstoff zum Kochen für das südliche Afrika hat große Wirkung
    Das Verbrennen von Biomasse beim Kochen belastet Gesundheit und Umwelt. Die deutsch-südafrikanische Initiative GreenQUEST entwickelt einen sauberen Haushaltsbrennstoff. Er soll klimaschädliche CO2-Emissionen reduzieren und den Zugang zu Energie für Haushalte in afrikanischen Ländern südlich der Sahara verbessern.

  • Spintronik: Ein neuer Weg zu wirbelnden Spin-Texturen bei Raumtemperatur
    Science Highlight
    16.04.2024
    Spintronik: Ein neuer Weg zu wirbelnden Spin-Texturen bei Raumtemperatur
    Ein Team am HZB hat an BESSY II eine neue, einfache Methode untersucht, mit der sich stabile radiale magnetische Wirbel in magnetischen Dünnschichten erzeugen lassen.